Maria schon

In tempore pestilencie – Kontrafaktur aus gegebenem Anlass
Fr 15.05.20

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Maria schon – In tempore pestilenciae

«Maria zart» ist ein Satz des ansonsten unbekannten Pfabinschwantz, den wir anlässlich des Eröffnungskonzerts der neuen Reihe ReRenaissance in der Barfüsserkirche aufführen wollten – eine Begegnung von Musikern und Zuhörern, die uns zu diesem Zeitpunkt undenkbar weit entfernt erscheint. Wenn wir dieses Stück spielen, berichten wir gerne augenzwinkernd von der damaligen Vorstellung, dass jeder, der es spielte oder hörte, vor der „französischen Krankheit“ gefeit war (und obendrein Ablass im Wert von 40 Tagen Fegefeuer erhielt). Obgleich keiner von uns so abergläubig ist, anzunehmen, dass uns ein Lied auf mysteriöse Weise vor der jüngsten Pandemie bewahren könnte, denken wir, dass ein Fünkchen Wahrheit in der Vorstellung liegt, Musik könne die geistige Verfassung kräftigen und gegen den unsichtbaren Feind stärken.

“Maria zart”, in this setting by the otherwise unknown Pfabinschwantz, was in the programme for the opening concert of the ReRenaissance series in Basel – a meeting of musicians and listeners which in this moment seems unthinkably far away. When we perform this piece we are happy to be able to tell our audience, with a wink, that anyone who plays or hears it will be immune to the „French illness“, and also receive an indulgence of 40 days from purgatory; such was the belief at the time it was written. Although none of us now is superstitious enough to think that listening to a song can mysteriously save us from the pandemic, there is a glimmer of truth in the idea that music can elevate the mind and strengthen it against the invisible enemy.

Jacob Lawrence – Tenor

Baptiste Romain – Clein Geige

Tabea Schwartz – Groß Geige

Elizabeth Rumsey – Groß Geige

Marc Lewon – Laute

Regie: basisdemokratisch

Video-Audioschnitt: Leonardo Bortolotto

IN TEMPORE PESTILENTIAE

Maria schon, du trägst die Kron‘ der Engel als ein Fürste. Tritt du herzu und gib uns Ruh‘. Der Sünder darnach dürste, dass er in Not nach sei’m Gebot sich richte und so werde erlöset von der Schwerde. So bitt‘ wir dich, nu für uns sprich und meld‘ die Bitt‘: Herr, uns behüt‘ all‘ vor dem großen Sterben. Dein‘ göttlich‘ Kraft die Eidg’noßschaft mög‘ in der Not erwerben. (Marco Leoni – Man beachte auch die Coronas/Fermaten im Facsimile aus seiner Hand)

IN TIME OF PESTILENCE Beautiful Maria, You wear, like a prince, the crown granted you by the angels. Come near to us and give us Peace. May the sinner in his distress thirst to turn towards His guidance, and so be delivered from tribulation. Thus, we implore you, intercede for us now and present our plea: Lord, protect us all from the Great Death. May the Swiss Confederation in this time of affliction be granted your divine strength. (Marco Leoni)

Video

Maria schon

Die ersten drei Konzerte 2020 mussten verschoben werden, da entstand diese Kontrafaktur von Maria Zart, Liedtext mit Bezug auf die Corona.

Interview

Elisabeth Stähelin, Initiatin und administrative Leiterin des Vereins und der Monatskonzerte «ReRenaissance», wird interviewt von Dr. Thomas Christ, begeisterter Konzertgänger und Liebhaber der Basler Kulturszene, der mit einem Studium von Kunstgeschichte und Ius und viel Lebenserfahrung im Gepäck seit Januar ReRenaissance im Vorstand unterstützt.

Elisabeth Stähelin

Thomas Christ (TC): In Basel formierte sich Ende letzten Jahres ein neuer Verein, der sich ausschliesslich der Frühen Musik widmen will – dies obwohl insbesondere in der Basels Barockszene seit vielen Jahren einige namhafte Ensembles ums Überleben kämpfen. Was sind eure Beweggründe?

Elisabeth Stähelin (ES): Mir ist in den letzten Jahren aufgefallen, dass es einerseits bei den Barockfans doch zum Teil Leute gibt, die eine nochmalige Aufführung z. B. der Jahreszeiten von Vivaldi mit „Vielleicht hätte man auch ein anderes Stück spielen können?“ kommentieren – dass anderseits Renaissance-Musik eine langsam aber stetig wachsende und immer verständnisvollere Zuhörerschaft findet, wiewohl man diese immer noch eher als exklusiv bezeichnen muss und die Konzerte mit der Lupe zu suchen sind.

Dazu kommt, und das ist ein wichtiger Punkt, dass Basel und die Region seitens der Musiker*innen ein weltweit in dieser Konzentration einmaliges Potential an Expert*innen für Renaissancemusik beherbergt. Das ergibt sich daraus, dass die Schola Cantorum Basiliensis – so heisst die Abteilung für Alte Musik der Musikakademie bzw. der Hochschule für Musik FHNW – mit ihrem Unterrichtsinhalt und ihrer hochstehenden Qualität Fachpersonen aus der ganzen Welt anzieht. Wir verfügen da in Basel quasi über einen Leuchtturm der Frühen Musik – ich nenne sie viel lieber Frühe als Alte Musik und hoffe, dass sich diese Bezeichnung im deutschsprachigen Raum durchsetzt.

Nicht nur Geschichte, Religion, Philosophie und Ästhetik der Jahre 1400–1600 unterscheiden sich stark von der späteren Zeit, sondern auch die Musik; wir wollen dem Publikum damit ein neues Erlebnisfeld eröffnen.

TC: Die Programmgestaltung ist bereits bis ins 2021 gediehen; worum geht es in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht?

ES: Ehrlich gesagt: Diese Frage betrifft nicht mein Metier! Wir haben die Musik auf die Zeit von 1400 bis 1600 eingegrenzt, aber mit der Programmgestaltung habe ich direkt gar nichts zu tun. Diese Aufgabe liegt in den Händen des musikalischen Leitungskreises, bestehend aus der Blockflötistin und Gambistin Tabea Schwartz, dem Lautenisten Prof. Dr. Marc Lewon und der Gambistin Elizabeth Rumsey. Sie sind momentan daran, das Programm für 2021 zu vervollständigen. Mir persönlich ist es einfach sehr wichtig, dass verschiedenste Ecken der Renaissancemusik und der Welt abgedeckt werden – zum Beispiel wollen wir Tanzmusik, Outdoor-Ensembles oder seltene Instrumente berücksichtigen –höchst polyphone wie auch monodische Kompositionen sollen zur Aufführung kommen wie auch Musik aus anderen europäischen Hochburgen der Renaissance.

TC: Worin besteht der Bezug zu Basel?

ES: Basel war ein bedeutendes Zentrum der Renaissance; man denke an das Basler Konzil 1431–1449 oder an die Gründung der Universität 1460; in dieser Zeit erblühten hier die Papierherstellung und der Buchdruck. In Basel sind nicht wenige noch unbekannte Schätze der Renaissance zu entdecken, so zum Beispiel in der Handschriftensammlung der Universität. Das Märzprogramm beruhte auf dem Liederbuch des Kettenacker aus der Amerbach-Sammlung. In Basel stehen noch einige gut erhaltene Bauten aus der Renaissance, wie zum Beispiel der Spiesshof am Heuberg mit seiner berühmten Kassettendecke oder das Rathaus. Die heute noch geltenden politischen Strukturen der Stadt Basel finden ihre Wurzeln in dieser Zeit.

TC: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Historischen Museum Basel?

ES: Seit Mai 2019 waren wir auf der Suche nach geeigneten Räumen. Wir klapperten Basel nach für Konzerte geeigneten Renaissanceräumlichkeiten ab. Dabei entdeckten wir viel mehr als erwartet: Kaisersaal, Münstersaal im Bischofshof, diverse Zunftsäle wie Safran- oder Schlüsselzunft, Zum hohen Dolder, Schützensaal etc. Wir hätten durchaus für jedes Konzert einen speziellen Raum finden können. Schlussendlich lag doch das Anliegen im Vordergrund, für die am letzten Sonntag jedes Monats stattfindenden Konzerte einen zentralen Ort zu finden, der es ermöglicht, verschiedenste Formate der Musik zu präsentieren, ohne dass die Musiker*innen und das Publikum sich jedes Mal wieder neu orientieren müssen. Die Barfüsserkirche ist optimal erreichbar, und die Zusammenarbeit mit dem Historischen Museum entpuppt sich als sehr inspirierend.

TC: Renaissancemusik ist auch dem geneigten Publikum wahrscheinlich weniger bekannt als die Kompositionen der folgenden Jahrhunderte. Wird die Aufführungsreihe mit Vorträgen oder entsprechenden Texten bereichert?

ES: Wie genau am Sonntag-Nachmittag die Schnittstelle vom Museumsbetrieb zum Konzert logistisch funktionieren wird, scheint noch etwas unklar, da müssen wir erst Erfahrungen sammeln. Wir hoffen, ab 2021 dann auch jeweils begleitende Vorträge zur Einführung anbieten zu können. Vorerst werden wir jeweils ein ausführliches Programmheft drucken und auf der Webseite vorweg mit Illustrationen und Texten informieren. Dazu gehören insbesondere auch die monatliche Kolumne zum Konzert von Prof. Dr. Dr. h. c. David Fallows und ein monatliches Interview mit einer Musiker*in oder einer im Projekt involvierten anderen Person. Mit dem monatlichen Newsletter weisen wir jeweils auf die Aktualisierungen hin.

TC: Für die allmonatlichen Konzerte konntet ihr namhafte Ensembles gewinnen. Wer ist für die Programmgestaltung verantwortlich?

ES: Was die Erwähnung namhafter Ensembles betrifft, muss ich klar widersprechen. Wohl findet man im Programm viele Musiker*innen aus namhaften Ensembles, aber keine solchen Ensembles an sich. Das ist gerade eine der Besonderheiten unseres Projekts: Anders als die meisten anderen Konzertreihen gehen wir von einem inhaltlichen Thema aus und suchen dann Musiker*innen aus der Region, die dieses Thema gemeinsam optimal verwirklichen können. Für jedes Konzert stellen wir eine spezifische, neue Konzertgruppe zusammen – wobei das allerdings auch nicht zu meinen Aufgaben zählt, sondern die Aufgabe des obengenannten für die Musik zuständigen Dreierleitungsteams ist.TC: Sind auch Auftritte in anderen Schweizer Städten geplant?

ES: Andere Konzertveranstalter sind zwar mit dieser Frage schon auf uns zugekommen, aber prioritär liegt unser Ziel momentan darin, diese Reihe in Basel zu etablieren. Wir hoffen, dass sich in der Basler Bevölkerung ein grosses und stabiles Stammpublikum entwickelt. Wir denken aber, dass unsere Reihe durchaus mit der Zeit auch schweizweit ausstrahlen wird. Schon jetzt erhalten wir Unterstützung zum Beispiel durch die Göhner-Stiftung mit Sitz in Zug oder einen privaten Gönner aus Luzern.

TC: Unterstützt das Kulturdepartement des Kantons Basel-Stadt das Projekt oder lebt ihr von privaten Drittmitteln, sprich von Stiftungen?

ES: Wir sind sehr froh und dankbar, dass nicht wenige Stiftungen und private Gönner Vertrauen in uns und das Projekt legen, so dass wir definitiv starten können. Von städtischer Seite erhalten wir Unterstützungsbeiträge an zwei spezifische Konzerte dieser Saison durch den Swisslos-Fonds Basel-Stadt.

 TC: Wie geht ihr mit der Corona Krise um? Ich nehme an, es kommt zu Programmverschiebungen. Führt das insbesondere in Sachen Veranstaltungsorte zu Problemen?

ES: Was den Veranstaltungsort betrifft, haben wir schon jetzt die Zusage des Historischen Museums Basel, dass wir 2021 weiter die Barfüsserkirche nutzen können. Leider mussten gerade die ersten beiden Konzerte abgesagt werden. Wir können mit den allmonatlichen Konzerten aber quasi rollend planen und steigen einfach ein, sobald die gesundheitlichen Bedingungen Konzerte wieder ermöglichen. Auch die Stiftungen bringen erfreulicherweise grosses Verständnis für die komplexe Situation auf.

TC: Du arbeitest jetzt bald schon ein Jahr für dieses Projekt. Wie erlebst du persönlich diese Arbeit?

ES: In den 80er Jahren war ich selbst im Konzertleben aktiv und leitete als Geigerin ein Ensemble für Barock und Klassik, dann verlegte ich meine Arbeit schwerpunktmässig in die Violinpädagogik. Ich geniesse jetzt die Herausforderungen in der Konzeptarbeit und im Aufbau für diese Konzertreihe sehr und erlebe es als eine grosse Bereicherung; ich bin ja quasi „Mädchen für alles“: sei es das Eintauchen in die Welt der Stiftungen, die doppelte Buchhaltung, das Texten oder die Gestaltung der Webseite, sei es die möglichst künstlerisch passende Gestaltung der Werbung – dass wir die Monatsflyer in Zusammenarbeit mit dem Papiermuseum im Buchdruckverfahren produzieren können, gefällt mir zum Beispiel sehr.

Die Zusammenarbeit im Leitungskreis und im Vorstand klappt hervorragend, der Support für unser Projekt unter den Musiker*innen und im wissenschaftlichen Beirat ist enorm.

2024

November

Du Fay 550

Musik fürs ganze Leben
So 24.11.24 18:15

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

Du Fay 550 (BL)

Musik fürs ganze Leben
Di 26.11.24 20:00

Liestal
Stadtkirche

Dezember

Nun singet

... und seid froh!
So 29.12.24 17:45 Mitsing-Workshop 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

2025

September

Festival 2025 «ARCADIA»

Fr 26.09.25 bis 28.09.2025

Basel, Martinskirche