er Triumphzug Kaiser Maximilians ist ein kunsthistorisches Monument der Superlative: Mit dem riesigen Bilderfries gab Maximilian um 1510 ein Projekt in Auftrag, das alle bisherigen in den Schatten stellte. ReRenaissance nimmt das Bilddokument zum Anlass für das erste Biennale-Festival: An drei aufeinanderfolgenden Tagen, vom 22. bis 24. September, präsentieren an die 50 Musiker:innen in einer einzigartigen Gesamtschau die Musik rund um den kaiserlichen Hof.
1 Maximilians Lieder 22.9. 19:30
Barfüsserkirche Ensemble Leones
2 Le Diamante et la Marguerite 23.9. 14:30
Schmiedenhof Ensemble Phaedrus
3 Der Triumphzug 23.9. 19:30
Martinskirche Galakonzert
4 Mit Maximilian in die Messe 24.9. 11:00
Martinskirche Messe von Heinrich Isaac
5 Pfyffer & Prosoner 24.9. 17:00
Martinskirche; Musik von Ludwig Senfl (aus Basel stammend); Ensemble I Fedeli
Kurzweyl-Konzerte
Schmiedenhof und Martinskirche; Nachwuchsensembles Contre le Temps, Rubens Rosa und Parlamento
Musiker:innen
Verschiedenste Formationen beleuchten unerhörte Facetten der Musik: vom Tastensolo auf Maximilians goldenem «Apfelregal», dem «Schwytzer Duo» mit Traversflöte und Trommel bis zu bekannten Ensembles wie Leones, I Fedeli und Phaedrus. Mehr noch: ReRenaissance nutzt die einmalige Chance, die Musiker:innen der Renaissancemusik-Hochburg Basel zu versammeln und in national wie international unerhörten Dimensionen zusammenzuführen: Für das Galakonzert in der Martinskirche am Samstagabend vereinten sich die Musiker:innen zu einem grossen Orchester. Am selben Ort zelebrierte am Sonntag um 11 Uhr die Vokalgruppe Canterey von ReRenaissance zusammen mit dem Organisten David Blunden eine Messe von Heinrich Isaac.
Rahmenprogramm Szene Basel
Rahmenprogramm Hintergrund
Musik, das Influencermittel für höfische Gesellschaft und Fürstentümer
Musik war in der Staatsauffassung Maximilians allgegenwärtig, sie prägte das höfische Leben als hörbare Repräsentation der kaiserlichen Herrlichkeit auf allen Ebenen, im öffentlichen wie im privaten Rahmen. Durch Notendrucke gelangten viele Stücke über den Hof Maximilians hinaus in die Wohnstuben der Bürger:innen. Die Verwendung der Deutschen Sprache in den Liedern half ebenfalls, das Reich zusammenzuhalten. So ist es nicht verwunderlich, dass der Darstellung der Hofkapelle Maximilians im «Triumphzug» eine zentrale Bedeutung zukam. Für das Bildprogramm beauftragte er die damals besten Künstler des deutschsprachigen Raums: Hans Burgkmair, Albrecht Altdorfer und Albrecht Dürer.
Festivalpässe; Tickets, Anmeldungen
https://reren.ch
Der Triumphzug Kaiser Maximilians ist ein kunsthistorisches Monument der Superlative. – Mit dabei: Wagen mit Musikern in Hülle und Fülle. Mehr als 50 Musiker:innen präsentieren in einer einzigartigen Gesamtschau die Musik rund um den kaiserlichen Hof.
Einführung ins Festivalprogramm mit Marc Lewon. Leones, Phaedrus, I Fedeli, Contre le Temps, Rubens Rosa, Parlamento, In Cytharis. Video/editing Andrew Burn. Produktion: Holly Scarborough; ReRenaissance.
Deutsche Untertitel in YouTube einstellbar.
Maximilians Lieder; Festival 2023 «Musik und Macht» Barfüsserkirche HMB, Basel, 22.9.2023
(Thumbnail nach Triumphzug, 1515, koloriert 1726; Universitätsbibliothek Graz)
Mit Dank an Swisslos-Fonds Basel-Stadt; Sulger-Stiftung; Fondation Philanthropique Famille Sandoz; WaliDad-Stiftung; Fondazione Willy Brauchli; Sophie und Karl Binding Stiftung
Thomas Christ: Liebe Holly, ich freue mich, mit Dir als profunder Kennerin der Frühen Musik unsere traditionelle Interviewreihe zum Jahreswechsel 2023/24 fortsetzen zu dürfen. Was waren deine ersten musikalischen Kontakte in den USA? Wurde in eurer Familie viel musiziert und wann hast du die Flöte für dich entdeckt?
Holly Scarborough: Mein Vater ist Profigolfer, meine Mutter hat englische Literatur studiert und ist Bibliothekarin; unsere Familienkultur war von diesen beiden Einflüssen geprägt. Fast jedes Wochenende hatten wir Tickets für irgendeine Live-Veranstaltung, sei es ein Baseball- oder Eishockeyspiel, eine lokale Aufführung eines Musicals von Rodgers und Hammerstein, ein Shakespeare-Stück oder einen Museumsbesuch. Viele Jahre lang hatten wir auch eine Jahreskarte für Disneyland. Ich bin mir sicher, dass ich mein musikalisches Erweckungserlebnis hatte, als ich als Dreijährige durch das Disney-Kunstwerk tapste: Tief in meiner Seele erlebte ich, wie sehr Musik die Phantasie beflügeln und welche Vielfalt an Gefühlen sie auslösen kann. In Disneyland hat jede Attraktion und jede Fahrt ihren eigenen Soundtrack – und ich lernte die Macht dieser Art von funktionaler Musik kennen und die kindliche Freude, die ein gut getimter und koordinierter musikalischer Moment auslösen kann.
In den öffentlichen Schulen wurde Instrumentalmusik unterrichtet, und als ich neun Jahre alt war, durfte ich mir ein Band- oder Orchesterinstrument aussuchen, das ich lernen wollte. Ich entschied mich für die Flöte, nachdem ich sie bei einer Schulversammlung live gehört hatte, weil ich ihren Klang mochte. Nachdem ich mich angemeldet und mein Instrument erhalten hatte, weiss ich noch, wie abgrundtief enttäuscht ich war, als ich es zum ersten Mal nach Hause mitnahm, die glänzenden Teile zusammensetzte und versuchte, hineinzublasen: Heraus kam – nichts!
Ich liess mich aber nicht entmutigen und blieb dran, obwohl ich kein natürliches Talent hatte. Es machte Spass, denn meine Freunde waren auch dabei, jeder ein neues Instrument zu lernen. Beim Musizieren in verschiedenen Jugendorchestern, Eliteformationen und Sommercamps genoss ich vor allem auch das soziale Element. Ich begann, Unterricht zu erteilen und Projektideen zu entwickeln – und schliesslich leitete ich als Drum Major unsere 200-köpfige Highschool Marching Band, marschierte mit einem grossen Tambourmajor-Stab vorneweg und leitete auch die «Field Shows».
TC: Wie kommt man von Orange County in Südkalifornien in die Welt des europäischen Mittelalters und an die Schola nach Basel?
HS: Mit 17 Jahren zog ich von zu Hause aus, um an einem Liberal Arts College in der Nähe von Chicago Musik und Philosophie zu studieren. Schönheit, Ethik, Kunstphilosophie und die Rolle der Musik in der Kultur schienen mir wichtige Themen zu sein, mit denen ich mich beschäftigen wollte. Zu meinen Forschungsprojekten gehörten die Stoiker und die Rolle der Sprache, die Musik der Shaker im 18. Jahrhundert und politische Lieder im amerikanischen Bürgerkrieg. Nach dem College gab ich Privatunterricht, war musikalische Leiterin in einem Jugendprogramm für kreative Künste, unterrichtete Bands an öffentlichen Schulen in Madison, Wisconsin, und war Mitbegründerin eines Gemeinschaftschors in Atlanta, Georgia. – alles grossartige Möglichkeiten, all das, was ich über den Wert der Musik in der Gesellschaft gelernt hatte, anzuwenden und zu sehen, wie es in der Praxis funktioniert.
Als ich nach Europa zog, durchlief ich eine andere Art von Ausbildung: Ich nahm eine Auszeit von der Musik und konzentrierte mich zwei Jahre lang ausschliesslich aufs Reisen. Ich besuchte alle Städte, Schlösser, Kirchen und Kunstwerke, die ich irgendwie aus meinem Budget herausquetschen konnte. Nach diesem engen Kontakt mit der Geschichte und mit einer Vorstellungskraft, wie ich sie wahrscheinlich seit meiner Kindheit in Disneyland nicht mehr erlebt hatte, nahm ich Kontakt zu Liane Ehlich auf, um die Renaissanceflöte zu studieren. Das warme Timbre und die visuelle Einfachheit des Instruments – ein einziges Stück Holz mit sieben Löchern in der Decke – zogen mich an, und das Erlernen des Repertoires aus dem 16. Jahrhundert wurde für mich zu einer Möglichkeit, mich mit der Geschichte auf eine Art und Weise zu verbinden, wie ich es zuvor nie getan hatte. Ich studierte Renaissancetanz und das Solmisationssystem und nahm Unterricht in mittelalterlicher Flöte bei Mara Winter, bevor ich mein Masterstudium an der Schola Cantorum Basiliensis begann. Dort hatte ich Unterricht bei Johanna Bartz und Marc Lewon und habe 2022 meinen Abschluss in Mittelalter- und Renaissancemusik gemacht. Barockflöte spiele ich nicht, das wäre wieder ein anderes Fach.
TC: Im Gegensatz zur klassischen und barocken Musik sind die musikalischen Quellen aus der Renaissance und noch mehr aus dem Mittelalter eher spärlich. Welches sind die wichtigsten Zeugnisse und Manuskripte für eure Forschungen, welche Rolle spielen die Gemälde der Bildenden Kunst?
HS: Ja, und wenn man dann noch feiner differenziert und eher zu weltlicher als geistlicher und eher zu instrumentaler als vokaler Musik forscht, dann gibt es sogar noch weniger Quellen. Aus Gerichtsakten, theoretischen Abhandlungen, Literatur und Ikonographie wissen wir, dass Musik in einer Vielzahl von Situationen wie Prozessionen, Zeremonien, Mahlzeiten und Tänzen zum Einsatz kam, und dass Instrumentalmusik sowohl bei formellen höfischen Banketten als auch bei zwanglosen bäuerlichen Zusammenkünften für Unterhaltung sorgte. Für solche Anlässe Instrumentierung und Repertoire vorzuschlagen, erfordert von einem modernen Interpreten Kreativität. Um Anhaltspunkte für die Aufführung zu erhalten, muss man auch andere Quellen als die Musik heranziehen – die erste Erwähnung von Querflöten in der Instrumentation ist das Liederbuch von Arnt von Aich aus dem Jahr 1515. So habe ich zum Beispiel das Turnier- und Tanzmanuskript «Freydal» von Maximilian I. (1512/1518) als Ausgangspunkt genommen, um zu Flöte und Trommel zu recherchieren, einem Ensemblepaar, das ich in Zweigulden nachbilden konnte. Darüber hinaus werden in einem erzählenden Gedicht von Machaut, «La Prise d’Alexandrie», viele Instrumente genannt, darunter auch die Querflöte; wir wissen also, dass dieses Instrument 1369 in Frankreich bekannt war. Als wir das Machaut gewidmetes Programm für das Ensemble Parlamento zusammenstellten, konnte ich mir sicher sein, dass die Querflöte ihren Platz in diesem Repertoire haben würde.
TC: Anlässlich des ersten und überaus erfolgreichen Renaissancefestivals in Basel im September 2023 hat euer noch junges Ensemble «Parlamento» viele Besucherinnen und Besucher positiv überrascht. Erzähl uns doch kurz, wie es zu dieser Formation, zu diesem Namen und vor allem zu dieser Fokussierung auf die Kunst des Spätmittelalters gekommen ist.
HS: Danke, wir haben unseren Auftritt sehr genossen! Wir vier haben uns 2020 an der Schola kennengelernt und bei Machaut-Partys am Freitagabend zusammengefunden. Der Name unseres Ensembles hat eigentlich zwei Bedeutungen. Er ist der Titel eines textlosen Stücks, das wir bei unserem ersten Konzert gespielt haben und das aus einem mittelalterlichen toskanischen Manuskript stammt. «Parlamento» trägt aber auch den Gedanken des Dialogs und des Sprechens in sich, der in unserem erzählenden Nibelungenlied-Programm aber auch bereits in unserem ersten Konzertprogramm mit der Gegenüberstellung französischer und italienische Musik des 14. Jahrhunderts zum Ausdruck kommt. Ich glaube, wir alle haben viel Freude an diesem spätmittelalterlichen Repertoire, weil es von einstimmiger Musik bis hin zu vierstimmiger Musik alles umfasst, und wir damit experimentieren können, die passende Besetzung für jedes Stück zu finden.
TC: Die musikalischen Schätze der Renaissance und des Mittelalters sind unermesslich, aber im Vergleich zu Musik nach 1600 noch weitgehend unbekannt. Sind der Vermittlung dieses Nischenangebots für ein interessiertes Publikum natürliche Grenzen gesetzt oder stehen wir erst am Anfang einer musikalischen Wiederentdeckung?
HS: Ich bin sicher, dass es keine Grenzen gibt und dass es noch viele Menschen gibt, die darauf warten, diese Schätze zu entdecken! Ich denke, die beste Analogie für das Musikhören ist die Welt des Essens und der Restaurantbesuche. Wir alle haben unsere Grundgerichte, zu denen wir uns ganz natürlich hingezogen fühlen, und ich denke, dass unser Musikgeschmack mit diesen Gewohnheiten und Vorlieben vergleichbar ist, die sich mit der Zeit entwickeln. Aber die meisten Menschen sind irgendwann bereit, etwas Neues auszuprobieren, und oft verlieben sie sich sogar in eine neue Geschmacksrichtung! Ich erinnere mich an die Geschichte meiner Grosseltern, als sie nach Kalifornien zogen und dort zum ersten Mal Tacos entdeckten – das veränderte ihr Leben, und sie begannen, alle möglichen scharfen Speisen zu essen und alles mit Jalapeños zu würzen.
Wie ein Restaurant, das eine treue Kundschaft bedient, die hochwertige Zutaten, raffinierte Zubereitungstechniken und einzigartige Aromen zu schätzen weiss, so wird ReRenaissance auch weiterhin einzigartige monatliche Konzerte für sein spezifisches Fanpublikum veranstalten – ich glaube aber, dass es viele Leute gibt, die noch nie bei uns zu Gast waren, aber sobald sie einmal «probiert» haben, sofort auf den Geschmack kommen.
Link zur Website von Holly Scarborough
Ich bin dabei!
von DAVID FALLOWS
Es ist noch gar nicht so lange her, dass Kaiser Maximilian von Historikern als eine geradezu bemitleidenswerte Kreatur angesehen wurde – eigentlich wie eine Art Putin des 16. Jahrhunderts: Ständig begann er neue Kriege, die er sich nicht leisten konnte, ständig versuchte er, seine Ländereien zu vergrössern, immer wieder einer früheren Zeit nachtrauernd, in der alles besser schien. Und diese Eitelkeit! Das vielleicht markanteste Fallbeispiel dafür ist sein Theuerdank, ein umfangreiches Epos, vermutlich von einem Ghostwriter verfasst, aber mit einer eigens nur hierfür entworfenen Drucktype und privat in einer Auflage von lediglich vierzig Exemplaren auf Pergament gedruckt wurde – mit einem Holzschnitt vor jedem der 118 Kapitel: der Inbegriff des «Vanity Publishing» (Selbstveröffentlichung auf eigene Kosten).
In den vergangenen fünfzig Jahren hingegen wurde seinem Vermächtnis freundlicher begegnet: Man begann, ihn als einen der fleissigsten Herrscher aller Zeiten zu sehen, als den bei weitem begabtesten militärischen Befehlshaber seiner Zeit. Und vor allem wird sein grosses Mäzenatentum in der Kunst hervorgehoben. Er bestellte jene gewaltigen Druckzyklen: den Triumphbogen mit 192 Holzschnitten, den Triumphzug mit 137 Holzschnitten und 54 Metern Länge, unter der Leitung der Künstler Dürer, Altdorfer und Burgkmair. Er gab auch enorme Mengen an Literatur in Auftrag, die zumeist seiner eigenen Lobpreisung diente (so wie die Holzschnittserien). Und er gab Philosophen und Humanisten prominente Positionen an seinem Hof.
Ausserdem hatte er natürlich seine Musiker, unter ihnen Isaac, Senfl und Hofhaimer. Wie viel von Senfls und Hofhaimers Musik aus ihrer Zeit bei Maximilian stammt, ist schwer einzuschätzen: beide hatten erfolgreiche Karrieren, die weit über Maximilians Tod im Jahr 1519 hinausreichten; und die überlieferten Quellen für beide Komponisten sind vor diesem Jahr nur spärlich. Soweit ich sehen kann, sind höchstens sechs von Senfls Liedern in Quellen vor 1519 zu finden, während mehr als die Hälfte von Hofhaimers Liedern schon zu finden sind. Aber wir können ziemlich sicher sein, dass die meisten von Isaacs rund dreissig deutschen Liedern das Ergebnis seiner Zeit bei Maximilian waren (obwohl er eigentlich in Florenz lebte). Was der Beurteilung von Maximilians Musik vielleicht am meisten geschadet hat, ist die jüngste grundlegende Umdatierung mehrerer Chorbücher (zusammengefasst von Birgit Lodes 2004), wobei sich Handschriften, von denen man bisher annahm, dass sie für seine Kapelle bestimmt waren, nun als für die Kapelle Wilhelms IV. von Bayern in den 1520er Jahren herausstellen.
Es gibt also viele Fragen und provokante Standpunkte. Deshalb ist es so gut, dass es nicht nur viele Konzerte gibt, sondern auch Vorträge und Diskussionen von einigen der führenden Köpfe auf diesem Gebiet. Dieses Festival könnte durchaus einen Wendepunkt darstellen.
Übersetzung: Marc Lewon
Zum Programm
Im Zentrum steht Musik rund um Maximilians Hof: Zwar sind keine Partituren direkt von Maximilians Hofkapelle erhalten, aber zahlreiche Musikhandschriften der Zeit um 1500 und die Lieddrucke des frühen 16. Jahrhunderts sind indirekte Zeugen für das reichhaltige Musikschaffen dieser Hofkapelle.
Die Ensemblebesetzungen werden dabei so ausgewählt, dass ganz verschiedene Bereiche der Hofmusik zum Leben erweckt werden: die intimen Klänge von Laute, Harfe und Gamben begleiten die neuen Tenorlieder, die unter Maximilian zu wunderbarer Blüte gelangten; die lauten Bläser:innen spielen Motetten und neueste Instrumentalmusik der Zeit kunstvoll auf Posaunen und Zinken; und die Sänger:innen breiten ihre prächtige Polyphonie aus.
Basler Ensembles für Frühe Musik wirken dafür zusammen: die Ensembles Leones (Leitung: Marc Lewon), I Fedeli (Leitung: Catherine Motuz & Josué Meléndez) und Phaedrus (Leitung: Mara Winter). Aber nicht nur das: Sie vereinen sich mit ReRenaissance für das grossbesetzte Galakonzert am Samstag-Abend zu einem Orchester monumentaler Grösse – etwas, was bisher in der Praxis hier und international quasi nie verwirklicht werden konnte.
Neben den fünf Hauptkonzerten rund um Maximilians Hofkapelle treten in den «Kurzweyl»-Programmen junge professionelle Gruppierungen auf. Die Ensembles Contre le temps und Rubens Rosa umrahmen dabei am Samstag im Schmiedenhof einen Vortrag von Prof. Jan Missfelder zu Stimme und Macht. Das aufstrebende Ensemble Parlamento mit der viel versprechenden jungen Geigerin Elizabeth Sommers präsentiert ein Programm um das Ambraser Heldenbuch der Nibelungen. Das Harfe-Laute-Duo Cytharis wird mit unerhörten Klängen im Hohen Dolder den Roundtable eröffnen. Das Schwytzerpaar mit Traversflöte und Trommel wird am Samstag-Nachmittag draussen auf dem Münsterplatz ein historisches Schwertspieler-Duo bei ihren Kampfchoreographien begleiten.
Ganz besonders interessant: Das berühmte goldene «Apfelregal» Maximilians des Grossen aus dem Niederösterreichischen Landesmuseum wird in Basel zu Gast sein. Christian Kögler (Kögler-Orgelbau, Österreich) wird es nach Basel bringen und dem Publikum am Sonntag nach dem Konzert in der Martinskirche dazu Rede und Antwort stehen.
Die Musik als Repräsentation der Macht
Der Darstellung von Musik kam eine zentrale Rolle zu, denn als hörbare Repräsentation des kaiserlichen Anspruchs prägte sie das Leben am Hof auf allen Ebenen, im öffentlichen wie im privaten Rahmen: sei es, dass die Ankunft des Herrschers oder seiner Vertreter durch Pauken und Trompeten angekündigt wurde, dass die Alta Cappella mit Schalmeien und Posaunen zum Staatsball aufspielte, oder der Hofstaat im kleinen Rahmen zu Einhandflöte und Trommel tanzte; sei es dass die Sänger der Kapelle eine feierliche, polyphone Messe im Dom mit Orgel zelebrierten, oder im «Frauenzimmer» der Königin deutsche Lieder mehrstimmig zur Laute gesungen wurden.
Musik war in Maximilians Staatsvorstellung omnipräsent und trug auch in Abwesenheit des Kaisers zu dessen Ruhm und Ehre bei. Mit den aufkommenden Lieddrucken drangen die Lieder seines Hofes gar bis in die Wohnstuben der Bürger ein. Und obwohl Maximilians Selbstbild noch ganz von mittelalterlichen Vorstellungen des edlen Rittertums in schon fast romantischer Verklärung verhaftet war, bediente er sich der modernsten Mittel seiner Zeit für dessen Verbreitung: er setzte mit dem Buchdruck auf die neueste Technologie, um seine Botschaft möglichst breit zu streuen, nicht nur mit seinem «Triumphzug», sondern auch mit den meisten seiner übrigen «gedechtnus»-Werke – heute würde man vielleicht sagen: Influencer-Kampagnen.
Instrumente und Musiker der Renaissance in Hülle und Fülle
Musik als Vermittlung von Macht … So verwundert es nicht, dass der Präsentation von Maximilians Hofkapelle im Triumphzug eine zentrale Rolle zukam: Im vorderen Viertel des Triumphzugs sind mehrere vollbesetzte und von Tieren gezogene Wagen der Präsentation seiner Kapelle vorbehalten, darunter ein Lauten- und Gambenconsort, Harfe, Orgelpositiv, Krummhörner, Zink und Schalmei, Einhandflöte und Trommel und nicht zuletzt die Kapelle mit ihren Sängern und Knaben. Es folgen Mitglieder verschiedener lauter «Alta Cappella»-Besetzungen hoch zu Ross, was ihren hohen Status unterstreicht: berittene Pauker und Trompeter, Posaunisten und Schalmeispieler.
Auch die ganz Grossen ihrer Zeit wurden dabei porträtiert: Heinrich Isaac (Konzert am sonntag 24.9. 11 Uhr), der grosse Hofkomponist Maximilians, der Organist und Komponist Paul Hofhaimer am Organetto, der Zinkenist Augustin Schubinger und der Hoflautenist Albrecht Morhanns, genannt Artus, zusammen mit dem zu dieser Zeit noch jungen Adolf Blindhamer, den Albrecht Dürer später zu den besten der Lautenisten zählen sollte.
Selbst ein Sohn der Stadt Basel, der Sänger und Komponist Ludwig Senfl, war schon mit dabei, sollte seinen grossen Durchbruch aber erst in den Jahren nach Maximilians Herrschaft haben (Siehe Konzert am Sonntag, den 24.9. um 17 Uhr)
Gemäss Plan sollte ein Fries von 200 Drucken aneinandergereiht sein Hofstatt in all seiner Pracht darstellen – eine Machtdemonstration, die nach aussen wie nach innen wirken sollte, um die Herrschaft der Dynastie über einen Vielvölkerstaat zu festigen und auszubauen. Für das Bildprogramm wurden die besten Künstler im deutschsprachigen Raum dieser Zeit hinzugezogen: Hans Burgkmair erstellte Plan und Skizzen und zu den Ausführenden zählte neben dem Maler und Holzschneider Albrecht Altdorfer sogar Albrecht Dürer.
Prof. Dr. Marc Lewon
Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel
Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel
Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel
Haus zum Kirschgarten
Historisches Museum Basel
Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel
Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel
Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel
Basel, Martinskirche
Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel
Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel