Du Fay 550

Musik fürs ganze Leben
So. 24.11.24 18:15

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

Grabdenkmal für Guillaume Du Fay, vor November 1474, Kalkstein aus Tournai © Palais des Beaux-Arts, Lille

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eRenaissance widmet sich im November 2024 ganz dem Werk von Guillaume Du Fay, der vor 550 Jahren, am 27. November 1474 verstorben ist.

Er war mit einem langen Leben beglückt und wurde von seinen Zeitgenossen als der führende Komponist seiner Zeit anerkannt. Du Fay wirkte an vielen bedeutenden kulturellen Zentren Europas, an denen seine Musik kopiert und aufgeführt wurde. Seine Werke wurden noch lange nach seinem Tod verbreitet und nachgeahmt.

Du Fay ist zwar vor allem für die architektonischen Konstruktionen seiner Motetten und Parodiemessen bekannt, doch hinterliess er auch einen grossen Korpus an Chansons, die alle formes fixes abdecken.

Das Programm zeigt die Bandbreite und Tiefe seines Talents über das gesamte Spektrum seiner Werke und schliesst mit seiner Motette Ave regina celorum, die er auf seinem Sterbebett hatte singen lassen.

Grace Newcombe – Sopran, Harfe
Ivo Haun de Oliveira – Tenor
Cyril Escoffier – Tenor
Catherine Motuz – Mezzosopran, Zugtrompete
Elizabeth Rumsey – Viola d’Arco
Tabea Schwartz – Blockflöte, Viola d’Arco
Marc Lewon – Laute, Quinterne
Baptiste Romain – Vielle, Rebec, Dudelsack; Leitung

Eintritt frei – Kollekte
Vielen Dank: Swisslos-Fonds Basel-Stadt

Du Fay 550 – Liestal (zweite Aufführung)
Dienstag, 26. November 2024 um 20:00 Uhr

Stadtkirche Liestal – Rosengasse 1, 4410 Liestal
Eintritt frei, Kollekte
Vielen Dank:
Basel-Landschaft Amt für Kultur und BKLB Stiftung Kultur & Bildung

Porträt eines Mannes mit einem blauen Chaperon, Jan van Eyck (c1430) © Brukenthal-Museum, Hermannstadt, Rumänien

Video

Du Fay Laid Bare

Vlog Juli 2022 zu «Du Fay» – A cappella!· Script and interviews: Didier Samson; Thumbnail, cutting  and editing: Grace Newcombe

Du Fay – A cappella!

Konzertmitschnitt Juli 2022

Interview

Der Sänger Cyril Escoffier aus Lyon antwortet auf Fragen von Dr. Thomas Christ.

Thomas Christ: Lieber Cyril, du hast dein Studium am Centre de Musique Baroque de Versailles abgeschlossen – wie hast du deinen Weg in die Alte Musik gefunden?

Cyril Escoffier: Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der Musik immer eine zentrale Rolle spielte: Meine Eltern meldeten mich schon früh in einem Kinderchor an – ich muss so fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein.

Die verschiedenen Jugendchöre, in denen ich mitwirkte, boten Anlass für Auslandstourneen, zahlreiche Konzerte und Begegnungen: Das hat dazu beigetragen, mich zu dem zu formen, der ich heute bin. Im Ensemble zu singen habe ich immer geliebt, das Gefühl, gemeinsam zu arbeiten und ein Teil eines grösseren «Gobelins» zu sein, an etwas teilzuhaben, ohne unbedingt das ganze Licht auf sich ziehen zu wollen.

Ich gehöre zu einer Generation von Musikern, die vielleicht schon früh die Möglichkeit hatten, sich – beispielsweise durch ein erstes Barockinstrument – für die Praxis der Alten Musik zu entscheiden, aus persönlicher Vorliebe für das frühe Repertoire und ihre Instrumente.

Alte Musik zu interpretieren, bedeutet, mit einem Fuss in der Forschung zu stehen, einen kritischen Ansatz gegenüber den Quellen eines bestimmten musikalischen Korpus zu entwickeln, seine Hypothesen regelmässig zu hinterfragen, weiterzugeben, weiter zu suchen, zu gehen und dabei eine sensible und somit persönliche Interpretation eines Repertoires anzubieten.

TC: Mit deinem Ensemble «Ars Figuralis» widmest du dich intensiv der Wiederentdeckung und Erforschung vergessener, also weitgehend unbekannter Werke aus dem französischen Barock. Gibt es Werke, die zu Recht und solche die zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind – wenn ja, wie unterscheidest du die einen von den anderen?

CE: Diese Frage nach einem «Sekundärrepertoire», das zu Recht in Vergessenheit geraten ist, ist nicht immer eindeutig zu beantworten.

Gerne gehe dafür etwas ausführlicher auf die Frage nach dem in Vergessenheit geratenen Repertoire ein.

Um von dem zu sprechen, was ich gut kenne: Im Falle Frankreichs haben wir nur ein sehr unvollkommenes Bild von der Musik und den Repertoires, die im 16. und 17. Jahrhundert in Gebrauch waren.

Nehmen wir zum Beispiel die Druckerei von Pierre I Ballard und Robert III Ballard (1599–1673), die das Monopol für den Druck von Musik in Frankreich innehatte. Von den 125 veröffentlichten Messen, die man identifizieren konnte, ergab die Analyse etwa 70 «verlorene» Messen, d. h. solche, von denen kein Exemplar mehr lokalisiert werden konnte. In Frankreich sind die grossen polyphonen Chorbücher, die es in den grossen Kirchen wie auch in den Stiftskirchen der Provinz zuhauf gab, ebenso verschwunden wie beispielsweise der Klang des Chant sur le livre, der einen sehr grossen Teil der liturgischen Dienste ausfüllte. Es gibt also echte Grauzonen in unserem Verständnis und Wissen zum Beispiel über die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts.

Der Mangel an Quellen oder nur geringe europäische Verbreitung ist nicht von vornherein ein Zeichen für ein mittelmässiges und vergessenswertes Repertoire.

Nehmen wir den extremen Fall von Nicolas Formé (1567–1638): Als französischer Zeitgenosse von Dowland, Monteverdi oder Sweelinck, der fast 30 Jahre lang als Musikmeister von Ludwig XIII. diente und damit einer der angesehensten Posten im Königreich innehatte, sind von ihm nur eine sehr schöne Messe mit doppeltem Chor und ein Magnificat in einfachem Stil, quasi «faux-bourdons», überliefert. Wie ist es zu verstehen, dass es so wenige Quellen mit Werken aus der Hand eines von seinen Zeitgenossen gepriesenen Komponisten gibt, obwohl auch der tägliche Betrieb der Kapelle eine sehr umfangreiche Musikproduktion erforderte?

Wahrscheinlich ist Formé nur einer Handvoll Spezialist:innen bekannt, und doch scheint mir seine Musik sehr schön und von grosser Eleganz zu sein.

Mit meinem Ensemble versuche ich, ein Eintauchen in eine Klangwelt eines bestimmten historischen Moments anzubieten und die Vielfalt der Farben, die von bekannten oder unbekannten Komponisten entfaltet wurden, hörbar zu machen.

Es sind weniger ausgetretene Pfade, vielleicht zeitweise steiler, aber sie führen zu sehr schönen Klang- und Gefühlslandschaften.

Im Alltag bedeutet das, dass ich viel Zeit damit verbringe, dieses Repertoire für mein Ensemble zu transkribieren, Blatt zu spielen oder durchzuspielen, um nach Werken zu suchen, die mir schön, berührend oder markant erscheinen.

Unsere Generation muss den Pionieren Respekt zollen: Dominique Visse und die Ensembles Clément-Janequin, Les Arts Florissants, Le Concert Spirituel, Sagittarius, um französische Beispiele zu nennen, haben es verstanden, Meisterwerke und führende Komponisten wie zum Beispiel Lully, Charpentier, Rameau und Mondonville auszugraben und einem breiten Publikum bekannt zu machen.

Aber meine Generation kann nun den eingeschlagenen Weg fortsetzen, verschiedene und neue Lesarten dieses riesigen Korpus anbieten und einem interessierten Publikum die Möglichkeit bieten, die ‚à-cotés‘, die weniger gespielten Komponisten, zu hören.

TC: Als gefragter Tenor widmest du dich sowohl der Musik des Barocks wie auch der Polyphonie des späten 15. Jahrhunderts. Die Barockmusik erfreut sich beim grossen Publikum nun seit vielen Jahrzehnten grosser Beliebtheit, alle grossen Opernhäuser haben heute Barockopern in ihre Programme aufgenommen. Demgegenüber lebt die reichhaltige Musik der europäischen Renaissance in einer Angebotsnische und wird eher selten öffentlich aufgeführt. Hast du hierzu eine Erklärung oder gar eine Prognose?

CE : Ich denke, dass die Situation in diesem Zustand nicht für immer festgefahren ist und dass für uns Musiker:innen noch viel aufzubauen ist, um neue Publikumsschichten zu erobern.

Unter dem Begriff Renaissancemusik verbirgt sich in Wirklichkeit eine sehr grosse Vielfalt an musikalischen Ausdrucksformen und Konzertformen: von der venezianischen Mehrchörigkeit mit Zinken und Posaunen, Alta-cappella-Ensembles im Freien bis hin zu kleinen Formationen, die versuchen, den Klang einer italienischen camerata des 16. Jahrhunderts zu eruieren. Auf dem Weg einer «langen Renaissance», vom 15. bis zum frühen 17. Jahrhundert, bietet sich den Interpreten ein facettenreiches Kaleidoskop. Daher bin ich nach wie vor überzeugt, dass die Renaissancemusik die Zuschauer zu bewegen, überraschen und berühren vermag – und ein Publikum ansprechen kann, das nie gedacht hätte, dass auch diese Musik zu ihm sprechen könnte.

Die Bemühungen von ReRenaissance in Basel sind zu begrüssen, und es ist zu hoffen, dass sich solche Initiativen auch in anderen Teilen der Schweiz und in Europa verbreiten: In einem abwechslungsreichen und regelmässigen Programm werden hochkarätige Musiker:innen zusammengeführt, die hohe künstlerische Ansprüche mit dem Willen zur Öffnung gegenüber dem breiten Publikum verbinden. Ich denke, dies ist ein Modell, das es zu verfolgen und zu fördern gilt.

TC: Neben deiner europaweiten Konzerttätigkeit setzt du auch deine Studien an der Basler Schola Cantorum fort. Kannst du uns darüber etwas berichten? Was bietet Basel mehr als Versailles?

CE: Ich bin sehr dankbar für den Unterricht, den ich während der drei Jahre am Centre de Musique Baroque de Versailles bei Olivier Schneebeli und Fabien Armengaud erhalten habe: Er hat einen grossen Teil meiner musikalischen Persönlichkeit geprägt, meine Art, die Arbeit an einem Werk zu betrachten, das verfeinerte Verständnis der Rhetorik, die im Herzen des barocken Musikdiskurses wirkt.

Die Ausbildung dreht sich vor allem um den Schulchor, die Chantres du CMBV, der mit mindestens 9 Stunden pro Woche (ohne Produktionen) den grössten Teil der Studienzeit ausmacht. Die Konzerte jeden Donnerstagabend in der Chapelle royale du Chateau de Versailles und die wöchentliche Lektüre neuer Programme führen dazu, dass man viele verschiedene Repertoires kennenlernt, was wiederum zu einem tiefen Eintauchen in eine besondere musikalische Welt führt, nämlich die des 17. und 18. Jahrhunderts.

Ich kam danach nach Basel, um einen europäischeren und «breiteren» Zugang zum alten Repertoire zu bekommen.

Die Schola Cantorum Basiliensis bietet einen offeneren Studiengang an, der sich auf den Solisten konzentriert und gleichzeitig die Musiktheorie, wie zum Beispiel historische Satzlehre und Notationskunde abdeckt.

Ich habe die mittelalterliche Musik entdeckt, mich in die Musik des 15. Jahrhunderts verliebt und von dem reichen Unterricht von Katharina Livljanic, Baptiste Romain, Marc Lewon, Ulrike Hofbauer, Catherine Motuz, Frithjof Smith oder Kathleen Dineen profitiert.

Der grosse Reichtum der Schola liegt insbesondere in dem künstlerischen Zirkel, der hier studiert: Mit der Schola kommt eine grosse internationale Mischung aus Kulturen, Persönlichkeiten und Ansätzen an einem Ort zusammen – Kunstliebhabende aus der ganzen Welt begegnen sich!

TC:  Du beschäftigst dich auch mit zeitgenössischen Chorwerken. Welche Brücken werden hier geschlagen, wie wählst du dein Repertoire in diesem Bereich aus?

CE: Aufgrund meiner jahrelangen Ausbildung in verschiedenen Chören in Frankreich zieht mich zeitgenössische skandinavische Musik stark an, insbesondere die Musik des Finnen Veljo Tormis.

Ich interessiere mich auch für Komponisten wie Philippe Hersant, die versuchen, alte und neue Formen miteinander zu verbinden, indem sie alte Instrumente neben der menschlichen Stimme einsetzen.

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Kolumne

«Ich bin dabei!» 

von DAVID FALLOWS

Ich erinnere mich noch gut an das Jahr 1974, als sich der Todestag von Guillaume Du Fay zum 500sten Mal jährte. Die meisten der damals erhältlichen Aufnahmen waren ein Trauerspiel, und ich hatte grosse Mühe, irgendjemanden davon zu überzeugen, dass Du Fay ein Komponist ist, mit dem zu beschäftigen sich lohnt. Aber just in jenem Jahr kamen mehrere neue Aufnahmen seiner Musik heraus, nicht zuletzt die von David Munrow, dessen Version der Messe Se la face ay pale immer noch als eine der musikalisch intelligentesten und überzeugendsten Interpretationen mittelalterlicher Musik gelten muss. 

Und seither hat sich Du Fay gut gemacht. All seine Werke wurden mehrfach aufgenommen (mit der bedauerlichen Ausnahme des urkomischen, aber unvollständig erhaltenen Iuvenis qui puellam). Trotz dieser positiven Entwicklung ist ein Konzert mit seiner Musik ein seltenes und besonderes Ereignis und ich vermute, dass niemand aus unserem mittlerweile regelmässigen Publikum darauf hingewiesen werden muss, dass man sich das nicht entgehen lassen sollte. Mit einer All-Star-Besetzung unter der Regie von Baptiste Romain und der Leitung von Grace Newcombe und Ivo Haun können wir ein wahres Fest erwarten. Das Programm soll Du Fays gesamtes Leben abdecken, von seinen frühen, in Italien geschriebenen Werken bis hin zur Antiphon Ave regina celorum, die er auf seinem Sterbebett hören wollte (aber leider nicht hören konnte, weil die Sänger zu diesem Zeitpunkt anderweitig beschäftigt waren).  

Und in der Mitte hören wir einen Teil der erstaunlichsten Du Fay-Entdeckung aus den Jahren seit 1974: die Messe für den heiligen Antonius von Padua, die mit ziemlicher Sicherheit für die Einweihung von Donatellos Altar in der Padua-Basilika des Heiligen Antonius geschrieben wurde. In Anbetracht der Tatsache, dass der Altar ziemlich bald danach abgebaut wurde und niemand in der Lage war, ihn in seiner ursprünglichen Form zu rekonstruieren, ist es wunderbar, dass wir nun Du Fays Messe an seiner Statt haben.

Übersetzung: Marc Lewon

Programm

Galerie

2025

Januar

«Was ich euch singen thu!»

Die ganze Welt im Nachrichtenlied
So. 26.01.25 17:45 Intro 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

Februar

La Contenance françoise

A cappella rund um Binchois
So. 23.02.25 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

März

Daheim bei Milán & Galilei

Lautenparcours II
So. 30.03.25 18:15 Konzert

Haus zum Kirschgarten
Historisches Museum Basel

April

A Company of Violins

Geburt einer neuen Instrumentenfamilie
So. 27.04.25 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

Mai

Lost and Found

Aus dem wiederentdeckten Egenolff-Liederbuch
So. 25.05.25 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

Juni

Amor, Fortuna!

Madrigale zu Palestrinas 500. Geburtstag
So. 29.06.25 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

September

Festival 2025 «ARCADIA»

Fr. 26.09.25 bis So 28.09.25

Basel, Martinskirche

Oktober

Brummen und Blaßen

Douçaine, Rankett und Dulzian
So. 26.10.25 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

November

Byrd and the Baron

A secret Christmas
So. 30.11.25 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

Dezember

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Tägliche online-Überraschungen
Mo. 01.12.25 bis 24.12.25