Il Capriccioso

Norditalienische Instrumentalmusik a commodo de virtuosi
So 25.10.20

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

15

64 publizierte Vicenzo Ruffo «Capricci in musica», eine Sammlung virtuoser und temperamentvoller Stücke für ein instrumentales Trio. In diesen Bearbeitungen bekannter Madrigale zeigt sich sein ganz eigener, «kapriziöser» Kompositionsstil. Die ursprünglich gesungene Stimme wird zitiert und bildet das musikalische Gerüst, um das sich die anderen Stimmen auf moderne «Art der Virtuosen» ranken. Dabei integriert Ruffo Elemente von Tanzmusik und greift auf Bassmodelle zurück, die er quer durch alle Stimmen wandern lässt. Er schafft damit eine Musik, die gleichzeitig eingängig und verwunderlich klingt. Ein dreistimmiges Blockflötenconsort porträtiert im Dialog mit Tasten- und Perkussionsinstrumenten Ruffo und die instrumentale Musik aus seinem Umfeld.

Mira Gloor – Blockflöte | Rachel Heymans – Blockflöte | Catalina Vicens – Perkussion, Tasteninstrumente | Tabea Schwartz – Blockflöte; Leitung

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Interview

Mira Gloor – Blockflötistin

Thomas Christ (TC): Mira Gloor, du hast die Blockflöte von klein auf an der Schola Cantorum Basiliensis, dem weltweiten Zentrum für Alte Musik, gelernt. Kannst du uns kurz etwas über deine langjährige Treue zu deinem Instrument erzählen?

Mira Gloor (MG): Ja, die Blockflöte begleitet mich tatsächlich schon fast mein ganzes Leben lang. Ich habe mit vier Jahren mit dem Flötenspiel begonnen und seitdem ist meine Liebe zu diesem vielseitigen Instrument stets gewachsen.

Viele mussten früher in der Schule Blockflöte lernen und haben daher ein sehr zwiespältiges Verhältnis zum Instrument. Da ich selber nie in dieser Lage war und immer tollen Unterricht bei vielen verschiedenen Lehrer:innen geniessen durfte, hatte ich einen glücklichen Start in die Welt der Blockflötenmusik. Und obwohl ich später auch Geigenunterricht hatte, stand die Blockflöte bei mir immer an erster Stelle. Mir war schon sehr früh klar, dass mich dieses Instrument mein Leben lang begleiten würde.

TC: Du hast deine Ausbildung vornehmlich an der Schola Cantorum durchlaufen, gehörtest aber wohl als Basiliensa zu einer verschwindend kleinen Minderheit an dieser Schule. Wie hast du die internationale Ausbildungskonkurrenz erlebt, war sie bereichernd oder belastend?

MG: Ich denke, dass man auch heute noch die Basler*innen an der Schola Cantorum Basiliensis an einer Hand abzählen kann. Für mich war das am Anfang eine ganz neue Erfahrung, da ich die Musikschule der Schola während meiner Kindheit als ganz «normale» Basler Musikschule wahrgenommen hatte und natürlich nichts anderes kannte. Erst während des Studiums wurde ich mir der Exklusivität dieses speziellen Ortes bewusst. Die Internationalität der Mitstudierenden war eine enorme Bereicherung für mich. Die kulturelle Vielfalt, die unterschiedlichen Sprachen und auch die Durchmischung verschiedener Altersgruppen gaben mir sehr viel mit auf meinen persönlichen Weg. Es wird oft gesagt, dass die Schola wohl der schlechteste Ort sei, um Deutsch oder gar Schweizerdeutsch zu lernen. Für mich war sie jedoch neben all den musikalischen Erlebnissen auch die beste Sprachschule.

TC: Die Frühe Musik, und ebenso moderne Kompositionen, wie auch die Folklore gehören, soviel ich weiss, in dein Repertoire. Gibt es da auf Grund der Literatur klare Vorlieben oder ergänzen sich diese unterschiedlichen Musikwelten in deinem Musikleben?

MG: Mir ist es wichtig, eine gewisse Neugierde auf dem Instrument zu behalten, und dazu gehören auch ab und zu etwas ungewöhnlichere Programme. Die verschiedenen Stile helfen mir, musikalisch und technisch flexibel zu bleiben und zum Beispiel in der zeitgenössischen Musik auch einmal ganz neue Klänge zu entdecken. Mit meinen zwei Ensembles geniesse ich es, in die unterschiedlichen Welten der Consortmusik der Renaissance und der Kammermusik des Früh- und Hochbarocks einzutauchen.

TC: Die Blockflöte hat bekanntlich den Schritt in die Musik der Klassik nicht geschafft, war sie zu leise, zu intim, zu fein oder einfach zu altmodisch? Kannst du uns etwas zur Instrumentengeschichte erzählen?

MG: Dass die Blockflöte ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts immer mehr in den Hintergrund geriet, hat sicherlich unter anderem mit ihren Klangeigenschaften und auch dem Tonumfang zu tun. Die Sanftheit und Süsse der «Flauto Dolce» war wohl einfach nicht mehr so gefragt und die grösser werdenden Orchester und Konzertsäle verlangten nach klangstärkeren Instrumenten. Ohne ihren Dornröschenschlaf hätte die Blockflöte aber auch keine Renaissance in den Anfängen des 20. Jahrhunderts feiern können. Somit war diese Verschnaufpause vielleicht gerade ein grosses Glück für die aktuelle Blockflötenwelt, da sich seit dem 20. Jahrhundert bis heute wieder viele Komponisten mit dem Instrument auseinandergesetzt haben und zahlreiche spannende Werke entstanden sind.

TC: Eine letzte Frage, die ich immer wieder gerne stelle: Die Barockmusik erfreut sich seit einigen Jahrzehnten grosser Beliebtheit, während die Musik des Mittelalters wie auch der Renaissance noch ein Nischendasein mit einem wachsenden, aber weit kleineren Fanclub führt. Kannst du dir vorstellen, dass unsere Zeit auch für einen Renaissance-Boom in der Musik reif ist?

MG: Es ist schön zu sehen, dass auch die Musik des Mittelalters und der Renaissance immer mehr Zuhörer:innen in ihren Bann zu ziehen vermag. Gerade hier in Basel gibt es bereits ein tolles Konzertangebot und dazu auch ein interessiertes Publikum. Ich denke, dass dieser Trend in den kommenden Jahren sicherlich anhalten wird und freue mich, selber einen kleinen Teil dazu beitragen zu dürfen.

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Kolumne

«Ich bin dabei … » von David Fallows zu «Il Capriccioso», Okt 2020

Wer die Konzertreihe der Abendmusiken in der Predigerkirche kennt, die (wenn auch schon viele Jahre länger) parallel zu den Konzerten von ReRenaissance stattfindet, weiß, dass ein Konzert, das nur einem einzigen Komponisten gewidmet ist, in der Regel befriedigender ist als eines, bei dem Werke anderer Komponisten hinzugemischt werden. Ich finde, dass das Gleiche für frühere Musik gilt: Auf den ersten Blick mag man denken, dass ein Konzert, das nur der Musik eines Komponisten, z.B. Ockeghems, gewidmet ist, ein wenig eintönig sein könnte. Ich habe jedoch immer wieder feststellen dürfen, dass man im Laufe der Veranstaltung der Essenz der Sache an sich viel näherkommt, wenn nichts hinzukommt, das davon ablenken könnte.

Für dieses Konzert liegt das Augenmerk nicht nur auf einem Komponisten, Vincenzo Ruffo, sondern sogar auf nur einer einzigen Sammlung, nämlich den Capricci von 1564. Ruffo war ein ungemein produktiver Komponist von Messen, Motetten und besonders von Madrigalen. Die Capricci sind eine Sammlung von nur 23 Stücken für drei Instrumente – die einzige von ihm überlieferte Instrumentalmusik. Und beinahe hätten wir auch dieses Buch verloren: Das einzige vollständige Exemplar liegt in der Biblioteca Vaticana. Es ist aber eine wundervolle Sammlung verschiedenartiger Stücke: Tänze, abstrakte Fantasien, Paraphrasen über italienische Madrigale und französische Chansons; Beispiele dafür, was ein Instrumentalensemble aus unterschiedlichen Vorlagen machen würde. Es erübrigt sich die Feststellung, dass ich nie zuvor ein Konzert gehört habe, dass Ruffo oder gar seine Capricci in den Mittelpunkt gestellt hätte. Doch in Vorfreude darauf läuft mir bereits jetzt das Wasser im Munde zusammen.

(Übersetzung: Tabea Schwartz & Marc Lewon)

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Programm

1. Il Capriccioso – Vicenzo Ruffo (c1508–1587)
Capricci in musica a tre voci, Mailand (Francesco Moscheni) 1564, Nr. 8

2. Trinitas in unitate – Vicenzo Ruffo
Capricci in musica, Nr. 20

3. La Gamba in Tenore – Vicenzo Ruffo
Capricci in musica, Nr. 5

4. La Gamba in Basso, e Canto – Vicenzo Ruffo
Capricci in musica, Nr. 13

5. Recercada […] del primo tono – Claudio Veggio (c1510–c1543)
Piacenza, Archivio della Chiesa Collegiata, Manuscript Castell’Arquato, fol. 18v-20v

6. O felici occhi miei – Jacob Arcadelt (c1507–1568)
Il primo libro di madrigali d’Archadelt a quatro, Venedig (Antonio Gardano) 1539, fol. 47
Diminutionen von Rachel Heymans und Catalina Vicens

7.  O felici occhi miei – Vicenzo Ruffo
Capricci in musica, Nr. 7

8. Quand’io pens’al martire – Vicenzo Ruffo
Capricci in musica, Nr. 2

9. Vi’ [Villano] recercada – Claudio Veggio
MS Castell’Arquato, fol. 24v

10. Quand’io pens’al martire – Jacob Arcadelt
Il primo libro di madrigali, fol. 54
Diminutionen von Tabea Schwartz

11. Dormend’un giorno – Philippe Verdelot (c1485–c1532)
Le dotte et eccellente compositioni, Venedig (Girolamo Scotto) 1540, fol. 18

12. Dormend’un giorno – Vicenzo Ruffo
Capricci in musica, Nr. 11

13. La Danza – Vicenzo Ruffo
Capricci in musica, Nr. 15

14. Piva – Vicenzo Ruffo
Capricci in musica, Nr. 22

15. Hor che il cielo – Cipriano de Rore (c1515–1565)
Di Cipriano Rore i madrigali a cinque voci, Venedig (Girolamo Scotto) 1542, fol. 11

16. Hor che il cielo – Vicenzo Ruffo
Capricci in musica, Nr. 14

Galerie

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Barfüsserkirche
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