as Tanzbuch «The English Dancing Master» wurde zwar erst 1651 in London von John Playford veröffentlicht, aber die meisten der darin enthaltenen Melodien sind viel älter. Einige finden sich in elisabethanischen Manuskripten für Lauten- und Tasteninstrumenten, während andere in «Broadside»-Balladen oder in den Werken von William Shakespeare und anderen erwähnt werden.
Playfords Melodien sind für ein einziges unbegleitetes Instrument notiert, obwohl einige von ihnen in anderen Quellen als mehrstimmige Kompositionen für bis zu sechs Instrumente zu finden sind. Die Knappheit des Materials lässt viel Raum für Improvisation! Véronique Daniels und The Basel Merry-go-round, ein Tanzensemble aus dem Umfeld der Musikhochschule für Alte Musik in Basel, präsentieren die im Tanzbuch beschriebenen Choreografien – während Tobie Miller und Sam Chapman die Musiker:innen zu einer farbigen und lustigen Musikband zusammenführen.
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Türöffnung/Abendkasse ab 17:45 Uhr (Keine Einführung)
Musik:
Tobie Miller – Drehleier, Gesang, Blockflöte
Sam Chapman – Laute, Cister
Elizabeth Sommers – Renaissancegeige
Elizabeth Rumsey – Bassgambe
Leitung: Tobie Miller und Sam Chapman
Tanzensemble The Basel Merry-go-round:
Marie Delorme, Annelise Ellars, Akira Fukushima, Matthew Gajda, Kaho Inoue, Barbara Leitherer, Noam Lelior, Alice Letort, Martin Meier, Paul Poupinet, Breno Quinderé, Tessa Roos, Valentin Schima (auch Gesang), Caroline Sordia, Silvia Witzig
Leitung: Véronique Daniels
Am Folgetag, dem Pfingstmontag, lädt Renaissance Sie mit Véronique Daniels, Basels Queen des Renaissancetanzes, zu Tanz und Musik in die Reithalle des Wenkenhofs in Riehen (siehe All in a Garden Green 2). Da können Sie, wenn Sie möchten, auch selbst spontan aktiv mittanzen.
Véronique Daniels und Sam Chapman im Gespräch; Ein musikalischer Rückblick
Manuel Maio: Video concept and editing
ReRenaissance Interview mit Sam Chapman, Dozent für Laute und Theorbe an der Universität der Künste Berlin, Mai 2023
Es ist ReRenaissance natürlich eine Ehre und eine Freude den Julian Bream-Preisträger Sam Chapman zum heutigen Interview begrüssen zu dürfen.
Thomas Christ (TC): Vielleicht erzählen Sie uns, wie Sie den Weg zu den historischen Zupfinstrumenten gefunden haben. Soviel ich weiss, haben Sie in Ihrer Jugend einige Instrumente begleitet, allen voran die Konzertina, mit welchen Sie auch öffentlich aufgetreten sind.
Sam Chapman (SC): Nun, ich bin in einem musikalischen Haushalt in einem kleinen Dorf in Somerset, Südwestengland, aufgewachsen. Meine ersten musikalischen Erinnerungen sind mit dem Musizieren zu Hause verbunden und damit, dass ich meine Mutter in den örtlichen Volkstanzclub begleitete, wo sie jede Woche zum Tanz aufspielte. Meine Mutter spielte Geige, zusammen mit einem Akkordeonspieler, der ebenfalls im Dorf lebte. Als einer meiner älteren Brüder die Konzertina erlernen wollte, lieh ihm unser Freund, der Akkordeonspieler, ein paar Instrumente zum Ausprobieren. Er entschied sich natürlich für das bessere, und ich brachte mir das Spielen auf dem anderen Instrument bei, das im Haus herumlag. Alle Melodien, die ich auf der Konzertina spielte, lernte ich nach Gehör. Das war eine wirklich gute musikalische Ausbildung. Und durch das Spielen zum Tanzen und bei Volksmusik-Sessions bekam ich ein sehr gutes Rhythmusgefühl.
Einige Jahre später begann ich, klassische Gitarre zu spielen, und ich hatte das Glück, einen Lehrer zu haben, der sich für Renaissancemusik begeisterte! Ich erinnere mich an viele Unterrichtsstunden, in denen wir fröhlich seine eigenen Arrangements von Lautenduetten durchspielten. Als Teenager spielte ich einige Jahre lang auch E-Gitarre, und in dieser Zeit begann ich mich für Improvisation zu interessieren. Ich traf mich mit meinen Freunden in der Mittagspause in der Schule und wir improvisierten gemeinsam in vielen verschiedenen Musikrichtungen.
Als ich mich mehr und mehr auf die klassische Gitarre konzentrierte, blieben meine anderen musikalischen Interessen auf der Strecke. Obwohl ich an der Royal Academy of Music einen wunderbaren Lehrer hatte, lag der Schwerpunkt mehr auf der Entwicklung der Technik und dem Spielen von Solomusik. Wir versuchten alle, schneller und lauter zu spielen als die anderen! Das schien mir nicht die Art von Umgebung zu sein, in der ich mich musikalisch ausdrücken konnte, und als ich mit Anfang zwanzig begann, historische Zupfinstrumente zu spielen, hatte ich das Gefühl, nach Hause zu kommen. Der Schwerpunkt lag wieder auf dem gemeinsamen Spiel und ich konnte meine alten Fähigkeiten wie Improvisation und Spielen nach Gehör wieder aufgreifen.
TC: Sie haben auf verschiedenen Instrumenten viele Lehrer unterschiedlicher Couleur erlebt und sind nun selbst Dozent für Laute geworden. Da stellt sich mir immer die Frage nach der Fach- und der Sozialkompetenz – welchen Stellenwert haben Faktoren, wie Begeisterung, Humor und Dialogfähigkeit?
SC: Für mich ist der wichtigste Faktor die Begeisterung. Alle Kinder sind von Natur aus musikalisch und das Beste, was wir als Lehrer tun können, ist, den grundlegenden Enthusiasmus, mit dem sie spielen oder singen lernen, nicht zu stören. Bei Kindern ist das wirklich entscheidend, aber auch als Erwachsene können wir es uns nicht leisten, unsere Begeisterung zu verlieren. Das ist ein Bereich, in dem der Unterricht an der Universität der Künste Berlin für mich persönlich so wertvoll war: Als professionelle Musiker sind wir oft so sehr mit alltäglichen Dingen wie der Organisation von Reisen, dem Schreiben von Rechnungen oder dem Ertragen von lästigen Dirigenten beschäftigt, dass wir manchmal vergessen, was uns überhaupt dazu inspiriert hat, Musiker zu werden. Ich bin immer wieder erstaunt über den Enthusiasmus und die Energie, mit der sich meine Student:innen mit musikalischem Material auseinandersetzen, und ein grosser Teil meiner eigenen persönlichen Entwicklung als Musiker in den letzten Jahren wurde durch die Interaktion mit meinen Studenten inspiriert. So wächst die Dialogfähigkeit tatsächlich aus dem Enthusiasmus heraus und fliesst gleichzeitig in ihn zurück.
TC: Haben Sie Ihre Passion für die Renaissancemusik an der Schola Cantorum in Basel entdeckt? Sie kamen ja 2004 als Lehrer für Alexander-Technik nach Basel – gerne wüssten wir mehr, wie der Sprung zur Laute gelang.
SC: Eigentlich hatte ich schon während meines Gitarrenstudiums in London begonnen, Renaissancemusik zu spielen. Ein befreundeter Lautenist bat mich, in seinem Mixed-Consort Cister zu spielen, und bald darauf begann ich auch, Theorbe und Barockgitarre zu spielen. 2004 zog ich in die Schweiz, um eine Ausbildung zum Alexander-Technik-Lehrer zu machen, und verbrachte drei sehr glückliche Jahre ausserhalb der formalen Musikausbildung. Ich fing wieder an, Konzertina zu spielen, spielte in mehreren Bands und gründete eine Reihe von musikalischen Kollaborationen, von denen einige heute noch bestehen. In diesen Jahren lernten Tobie Miller und ich uns bei einer informellen Folkmusik-Session im Haus eines gemeinsamen Freundes kennen. Ich hatte nicht die Absicht, an der Schola Cantorum zu studieren! Ich hatte Angst, mich wieder in einer Institution eingeengt zu fühlen. Einige Freunde überredeten mich jedoch, mich zu bewerben, und ich dachte, ich könnte auch ein Jahr lang ein Fortbildungsstudium absolvieren. Ich liebte die Schola vom ersten Tag an und blieb schliesslich fünf Jahre lang! Obwohl ich schon vorher Renaissancemusik gespielt hatte, hatte ich nie wirklich die Renaissancelaute gelernt, und das war der Schwerpunkt meines Studiums bei Hopkinson Smith.
TC: Gehe ich recht in der Annahme, dass die Kunst des Improvisierens in früheren Jahrhunderten weit mehr gepflegt wurde als heute. Ist das Erlernen des Lauten- oder Theorbenspiels mehr reproduktiv geworden oder was denken Sie zur Kunst oder zur Notwendigkeit, das Improvisierens vermehrt zu pflegen?
SC: Sie haben ein Thema angesprochen, das mir sehr am Herzen liegt! Ja, in dem, was wir «Kunstmusik» nennen, spielte die Improvisation in der Vergangenheit eine viel wichtigere Rolle als heute. Sie ist natürlich eine Fähigkeit, die in der Musik vieler anderer Stile und Traditionen immer noch von zentraler Bedeutung ist; in der Tat ist die heutige westliche klassische Musik ziemlich einzigartig, da sie fast überhaupt keine Elemente der Improvisation enthält! Ich denke, dass ein ernsthaftes Studium der Alten Musik eine Auseinandersetzung mit der Frage der Improvisation beinhalten muss. Selbst wenn wir uns dafür entscheiden, nicht selbst zu improvisieren, müssen wir anerkennen, dass ein grosser Teil der Musik, die wir spielen, improvisiert wurde, auf Improvisation basiert oder durch Improvisation komponiert wurde. Viele der so genannten «Komponisten» von Instrumentalmusik in der Renaissance konnten wahrscheinlich selbst keine Musik lesen oder schreiben. Das Material, das uns bleibt, ist oft der Versuch eines Hörers, Studenten oder Verlegers, eine improvisierte Praxis zu notieren. In diesen Fällen können wir die Idee eines «Urtextes» oder das Spielen der Musik «wie geschrieben» vergessen. Aber selbst in den Stücken, die sorgfältig komponiert und genau notiert zu sein scheinen, sollte die Musik immer die Frische und Spontaneität haben, die wir mit improvisierter Musik verbinden, und diese Art zu spielen lernt man am besten, indem man lernt, selbst zu improvisieren.
TC: Meine letzte Frage widme ich gerne der Bedeutung der noch weitgehend unentdeckten Renaissancemusik. Halten Sie es für möglich, dass sie ähnlich der ‘jungen’ Beliebtheit der Barockmusik eine neue Zukunft vor sich hat, insbesondere ein neues Publikum gewinnen wird?
SC: Ich bin sehr froh, dass die Musik der Renaissance ein immer breiteres Publikum zu erreichen scheint, und ich bin dankbar, dass es Plattformen wie ReRenaissance gibt, die dies möglich machen. In einer Welt, in der wir ständig durch soziale Medien stimuliert und bombardiert werden, bietet die kontemplative Natur der Renaissancemusik dem sensiblen Hörer eine Atempause. Andererseits kann die zunehmende Popularität der Renaissancemusik auch ihren Preis haben. Mit dem Einzug der Barockmusik in den Mainstream wurde sie zunehmend kommerzialisiert, was oft zu musikalischen Kompromissen führte. Elemente des Instrumentenbaus, der Besaitung und der Aufführungspraxis werden zunehmend angepasst, um grossen Konzerträumen und dem modernen Geschmack zu entsprechen. Während die Barockmusik aufgrund ihres dramatischen Charakters viel von ihrem Grundcharakter bewahren konnte, ist dies bei der Musik der Renaissance nicht der Fall. Ein Grossteil dieser Musik wurde im privaten Rahmen, für ein kleines, exklusives und hochgebildetes Publikum aufgeführt. Ich begrüsse es daher, wenn die Renaissancemusik ein breiteres Publikum erreicht, hoffe aber, dass sie ihren Wurzeln treu bleibt und ihren Status als «bestgehütetes Geheimnis» der klassischen Musik beibehält!
Ich bin dabei!
von David Fallows
Vielleicht ist es Shakespeare und seinen Historiendramen zu verdanken, aber das England des 17. Jahrhunderts scheint einen wirklich aussergewöhnlichen Sinn für Geschichte gehabt zu haben. Das ist einer der Gründe, warum diverse Anthems von Tallis und Byrd bis heute auf eine ununterbrochene Aufführungstradition seit der elisabethanischen Zeit zurückblicken können. Und so kam es, dass John Playfords The English Dancing Master von 1651 einen beträchtlichen Anteil von Tänzen enthielt, die bis ins 16. Jahrhundert zurückdatieren; und diese früheren Tänze werden im Mittelpunkt des Mai-Konzerts stehen.
Sein Dancing Master war wahrscheinlich der erste Musikdruck, den Playford veröffentlichte (bis dahin hatte er sich auf politische Flugblätter zur Unterstützung der Stuart-Dynastie spezialisiert, woraufhin 1649 nach der Hinrichtung Karls I. ein Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde). Es war jedoch das bei weitem erfolgreichste Buch in seiner meist erfolgreichen Verlagskarriere: Es erlebte mindestens achtzehn Auflagen während der Karriere seines Sohnes Henry (gest. 1709) und bis 1728, also bis weit in die Regierungszeit von Georg II. Aber es ist dieser Gesamtblick auf eine nationale Geschichte, der das Konzert besonders interessant machen wird.
Und wenn Sie Ihr «tolles Tanzbein leicht und nach Ihrer Façon schwingen wollen», wie Milton es in seinem L’allegro ausdrückte («trip it as ye go/ On the light fantastick toe»), stehen Ihnen Véronique Daniels und ihr Team mit Rat und Tat zur Seite – zunächst am Samstag, 13. Mai, in der Falknerstrasse 36 in Basel, und dann im zweiten Konzert am Pfingstmontag in der Reithalle des Wenkenhofs in Riehen.
Übersetzung: Marc Lewon
230522 Programmheft Mai Web Kl
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