Die Bassanos

Hommage an die Blockflötenfamilie
So 29.09.24 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

Knabe mit Flöte, Gemälde von Francesco Bassano 1583, GG8, Kunsthistorisches Museum Wien

E

ine einzige Familie beeinflusst die Musikwelt der Renaissance wie keine andere: Von Venedig bis London – die Bassanos stellen Instrumentenbauer, Musiker, Komponisten …

Passend dazu wird dieses Konzert vom Klang der grossen Blockflötenfamilie getragen. Im Consort mit bis zu sechs Stimmen erklingt Musik, die durch die Bassanos komponiert, festgehalten und kreativ verwandelt wurde.

Mit dieser Hommage bietet ReRenaissance zum ersten Mal ein Programm, dass sich ganz dem Klang der Blockflötenfamilie widmet. 

Die gespielten Consortblockflöten sind Kopien von erhaltenen Instrumenten der Bassanos. Denn neben instrumentaler und kompositorischer Exzellenz brachte die Familie auch ihre Tradition im Blockflötenbau
nach England.

Die Blockflötist:innen:  Mira Gloor, Laura Hanetseder, Amy Power, Lea Sobbe,  Andreas Böhlen (Leitung) und Tabea Schwartz (Leitung)

Tabea Schwartz, Mira Gloor, Lea Sobbe, Laura Hanetseder, Andreas Böhlen, Amy Power,

 

Originale Blockflöte mit dem Bassanostempel, Metropolitan Museum of Arts

Interview

Die Blockflötistin Tabea Schwartz, Mitbegründerin von ReRenaissance, antwortet auf Fragen von Dr. Thomas Christ. Neben ihrer Arbeit im Vorstand ist Tabea Schwartz hauptverantwortlich für die musikalische Planung des Programms. 

Thomas Christ: Liebe Tabea, bevor wir uns über Fragen zur Vermittlung Früher Musik unterhalten, möchte ich dich fragen, wie du den Weg vom Wohnzimmer in die internationale Welt der gefragten Blockflötistinnen gefunden hast. 

Tabea Schwartz: Danke!

Mit den Wegen ist das so eine Sache –  «I took the one less traveled by and that has made all the difference …» (R. Frost) (Deutsch: «Ich habe den am wenigsten bereisten gewählt, und das hat den Unterschied ausgemacht …»)

Tatsächlich waren Musik und besonders die Blockflöte in ihrer Fülle historischer Erscheinungen schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Es ist natürlich ein langer Weg vom kindlichen Vergnügen am Instrument, über die ersten Horizonterweiterungen und musikalischen Ermächtigungen, die damit so gut spürbar werden, zu einem Studium mit seiner umfassenden künstlerischen Kontextualisierung und hin zu einer frei gestalteten Berufsausübung. Aber die zugrundeliegende Kreativität schien mir immer ein natürlicher Weg in einem grösseren Kontext, den ich mit ernsthafter Freude begehe!

Ob man damit «ankommt» oder «gefragt ist», ist allerdings für ausführende Musiker:innen in dieser sehr diversen Szene eigentlich nicht planbar und im Grunde genommen nie aussagekräftig oder anhaltend gültig festzustellen. Deshalb ist es wohl nicht schlecht, sich, so gut es geht, mit diesem Nebeneffekt des Musikmachens nicht allzu sehr zu befassen. Ich bin einfach sehr dankbar, dass ich das, was ich liebe, als Beruf ausübe, und denke gern an all die spannenden und lohnenden Projekte, die ich damit schon erlebt habe und an diejenigen, die für die Zukunft geplant sind.

Dazu kommt auch (eventuell geschieht das in der Frühen Musik mit ihrer grossen Selbstverantwortlichkeit in Sachen Hintergrundkönnen und Hintergrundwissen gar verstärkt), dass das erwählte, verehrte Musikinstrument wiedererkannt wird, als was es eigentlich immer war: als Instrument zur Musik. Die künstlerische Materie liegt mir natürlich besonders am Herzen, und so können auch noch andere Mittel zum Einsatz kommen, zum Beispiel Zweitinstrumente. Dazu kommen die vielen Facetten von Forschung und Vermittlung: alles zusätzliche Mittel auf dem Weg zu noch mehr Musik.

TC: Das Forum für Frühe Musik ReRenaissance erfreut sich zwar grosser Beliebtheit und lebt  auch von einem beherzten Fanclub, doch am Anfang steht ein musikalischer Leitungskreis, welchem du angehörst. Kannst du uns berichten, wie er entstanden ist und wer dazu gehört?

TS: ReRenaissance fühlt sich für mich bis heute an wie ein schönes Märchen:

«Es war einmal am 4. April 2019 eine Nachricht der Initiantin Elisabeth Stähelin. Sie hatte mich damals kontaktiert und gefragt, ob man in Basel nicht ein Angebot für vor-barocke Musik schaffen könnte und ob ich dabei wäre, die künstlerische Leitung zu übernehmen und etwas Entsprechendes aufzubauen. Basel hatte sich als internationaler Hotspot der Alten Musik längst einen einmaligen Ruf aufgebaut, bis 2019 war aber in der Szene der Alten Musik hauptsächlich Repertoire zu hören, das ungefähr zwischen 1600 und 1800 entstanden ist. Ich war überzeugt: den wunderbaren, älteren Musikschatz des humanistischen Zeitalters wiedererklingen zu lassen, würde sicher grossen Anklang finden bei Publikum wie Performer:innen und nicht zuletzt auch eine Lücke in der Basler Konzertszene füllen … und damit neue Möglichkeiten schaffen. Diese gelebte Renaissance der Renaissance taufte ich ReRenaissance. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute?»

Nun, damit ging natürlich die Arbeit erst richtig los!

Es war wunderbar, dass wir schon für den ersten Leitungskreis des gleichnamigen gemeinnützigen Vereins Marc Lewon und Elizabeth Rumsey gewinnen konnten. Die Realisierung des Konzertforums war von Anfang an mit grossem administrativem aber auch künstlerischem Aufwand verbunden. Zu den Verantwortlichkeiten des Leitungskreises gehören das Recherchieren und Erstellen des ambitionierten Jahresprogramms, innerhalb dessen wir auch die Leitung oder die Co-Leitung der Konzerte übernahmen.

So waren wir sehr glücklich, den Leitungskreis nach drei Jahren erweitern zu können: Mit Ivo Haun, Catherine Motuz und Grace Newcombe sind wir nun zu sechst und hoffen, mit unseren verschiedenen Hintergründen und Spezialisierungsgebieten die konzeptionelle und künstlerische Arbeit möglichst breit abstützen zu können.

Die Arbeit des Leitungskreises ist nach wie vor ehrenamtlich – und so sind wir besonders dankbar für die ebenso ehrenamtliche Arbeit der Vorstandsmitglieder, die Grossartiges leisten – beispielsweise in der Akquise von Drittmitteln, ohne die unsere Ideen und Visionen nicht umgesetzt werden könnten. Auch die Zusammenarbeit mit unserer Geschäftsführung ist gerade wegen der naturgegebenen, gegenseitigen Bedingtheit von künstlerischem Schaffen und administrativ-logistischen Voraussetzungen eine besonders enge und fruchtbare.

TC: Bei ReRenaissance kommen bekanntlich Werke zur Aufführung, deren Noten nicht im Handel erhältlich sind, sondern jeweils gesucht, erforscht oder gar neu arrangiert werden müssen. Wie muss sich der Laie eure Forschungsarbeit vorstellen? Wie findet man die ersten Bruchstücke, das inspirierende Bildmaterial? 

Ich gestehe, dass mich die besten Ideen immer dann finden, wenn ich sie am wenigsten erwarte – auf einem Spaziergang, beim Kochen und im Halbschlaf. Eine Idee ist noch kein Programm und nicht alles können wir umsetzen. Im Team feilen wir monatelang an der Dramaturgie des Jahresprogramms und führen eine grosse Liste mit dem Namen «Zukunftsmusik», in der die aufgeschobenen Programmideen auf eine Umsetzung warten. Voraussetzung und Ausgangspunkt für all das ist sicher die versammelte Expertise, die in Basel so greifbar umherschwirrt. Manche Programme sind auch von Anfang an als «Reihe in der Reihe» angelegt, wie z.B. die Petrucci-Drucke.

Ich staune immer wieder über den professionellen Enthusiasmus und den Entdeckergeist für die Materie, die jede einzelne künstlerische Leitung und die ausführenden Musiker:innen an den Tag legen. Vielleicht schwingt da eben auch ein gewisser Renaissancegeist mit – und auf jeden Fall die ehrliche Freude an den Facetten dieses Repertoires und seines Kontexts. Je mehr Musik man kennt, desto weiter entfaltet sie sich und desto mehr Programme können daraus hervorgehen.

Das konkrete Vorgehen ist sehr individuell – man liest in einem Buch von einem Ereignis, man sieht ein Bild in einer Ausstellung, man lernt von spezialisierten Kolleg:innen und manchmal hat man Glück und ein:e Musikwissenschaftler:in spielt einem eine Idee zu. Diese Spuren muss man erkennen und im richtigen Moment verfolgen. Dann braucht es Kreativität und Recherche gleichermassen und das Schicksal muss einem hold sein: unsere Musik entsteht aus einer Überlieferung heraus, die keineswegs vollständig ist, weil so vieles nicht notiert wurde oder im Laufe der Jahrhunderte verloren ging.

Falls der Ideenteppich einmal Lücken aufweist, kehre ich zu den Notizen zurück, die ich mir in meinem Studium gemacht habe. «Damals» lebte ich ohne Internet und verbrachte fest mindestens einen Abend in der Woche in der Bibliothek der Musik-Akademie und recherchierte – noch, ohne zu wissen, was davon eines Tages nützlich sein würde.

TC: Die Programmhefte von ReRenaissance sind nun seit über drei Jahren begehrte, bebilderte Begleiter der Konzerte – kleine, wissenschaftlich fundierte Texte, die inhaltlich weit über das Format üblicher Konzertprogramme hinaus gehen. Entstehen diese Texte im Kollektiv oder als kleine persönliche Forschungsarbeiten? Ist der zeitliche Aufwand mit jenem der musikalischen Einstudierung vergleichbar?

TS: Ich habe auch grosse Freude an unseren Programmbooklets. Wie du sagst, gibt es dabei neben persönlichen Forschungsarbeiten auch solche Texte, die im Kollektiv entstehen. Wir bemühen uns, jeweils eine gute Balance zwischen der wissenschaftlichen Tiefe, die unsere Aufführungspraxis inspiriert, und einem gut zugänglichen Ton zu finden. Ich finde in diesem Zusammenhang wichtig, zu betonen, dass die Musik, die wir machen auch «einfach nur» als Musik konsumiert werden darf. Sie steht und spricht für sich.

Neben allem ästhetischen oder wissenschaftlichen Wert an sich finde ich die Programmhefte als zusätzliche Dienstleistung an unser Publikum vor allem aus einem Grund wichtig: Es entspricht dem Geist unserer Musik und auch der Frische ihrer noch jungen re-Renaissance, dass wir zu den Leuten, die zu uns ins Konzert kommen, in einer Art Komplizenschaft stehen möchten. Wir möchten gemeinsam mit ihnen etwas entdecken, wieder-bestaunen. Und darum versuchen wir, so grosszügig wie möglich und mit allen, die möchten, das Wissen um unsere Musik auch in dieser Form zu teilen.

Und ja, das kann dazu führen, dass die künstlerische Leitungsperson und unser Team rein zeitlich mehr Aufwand in die Begleittexte stecken als in die konkrete Einstudierung mit den Ausführenden. ReRenaissance-Konzerte sind Unikate  mit Erstaufführung in Basel. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass für gewisse Programme die Recherchearbeit bereits zwei Jahre vor dem tatsächlichen Konzert begann.

TC: In den Bemühungen um die Vermittlung der Musikwelt vor 1600 hat sich der Verein ReRenaissance nicht nur schweizweit einen Namen gemacht, sondern ist seit einigen Monaten auch ein gefragtes Mitglied des europaweiten Verbandes REMA («Réseau European de Musique Ancienne») http://www.rema-eemn.net . Diese Organisation besteht aus über 160 Mitgliedern und fördert die Wiederentdeckung der Frühen Musik auf europäischer Ebene. Kannst du unseren Lesern kurz erklären, in welcher Form wir von dieser REMA-Mitgliedschaft profitieren? Oder ob vielmehr REMA die Arbeit von ReRenaissance mit grossem Interesse verfolgt? Wie interpretierst du generell das gesteigerte Interesse an der Wiederentdeckung weitgehend unbekannter Musik aus vergangenen Jahrhunderten?

TS: Wir haben mit dem Forum ReRenaissance das Glück, eine hochkarätig spezialisierte Konzertreihe relativ lokal durchführen zu können. Möglicherweise ist das weltweit auch nur in Basel denkbar, auf jeden Fall finden wir hier sehr besondere und sehr geschätzte Verhältnisse (und helfen hoffentlich mit, sie künstlerisch zu erhalten und auszubauen). Unsere musikalische Materie und die Kompetenz im Umgang mit ihr sind aber natürlich sehr international verankert und REMA lässt sich auch als eine Art Dachorganisation für diese umfassende Kompetenz begreifen.

Bei REMA im exklusiven Kreis illustrer und häufig schon bedeutend länger etablierten Veranstalter aufgenommen zu werden, ist sicher eine grosse Ehre. Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass wir damit auch noch einen weiteren wichtigen Kanal zur Verfügung haben, um uns international auf höchstem Niveau auszutauschen, anzuknüpfen an internationales Potential, uns weiter zu inspirieren. Unser Musikmachen in Basel, unser Basler Publikum wird uns auch in Zukunft das Wichtigste sein. Aber auch scheinbar lokale Exzellenz lässt sich nie nur lokal generieren und von unserer Mitgliedschaft erhoffen wir uns die eine oder andere zusätzliche Blüte.

Das geht im Grunde auch einher mit dem zweiten Teil deiner Frage zum Interesse an der Wiederentdeckung bis anhin unbekannter Musik. Es ist immer schön, mitzuerleben, wie viele Leute begeistert in ein Konzert strömen, das sie mit Musik erwartet, die die meisten wohl in ihrem Leben noch nicht gehört haben, häufig noch nie gehört haben können. Und doch kommen sie!

Im Gespräch mit vielen unserer Zuhörenden stellt sich immer wieder heraus, dass sie sehr ähnlich empfinden wie wir Ausführende auch. Es ist faszinierend, Musik zu machen und zu hören, die während Hunderten von Jahren niemand vernommen hat. Die tatsächliche Wertschöpfung im Moment, der wirkliche Genuss, fliesst aber nicht aus dem Novum an sich – beides muss aus der Musik, aus dem Musikertum kommen. In dem humanistischen Geist unserer Musik können wir eben nicht anders, als uns von der Musik an sich berühren zu lassen, sei sie nun unerhört oder schon bekannt.

In diesem Sinn ist unsere Materie zeitlos und wir möchten zusammen mit unseren Gästen im Moment wahrhaft lebendige Kultur feiern.

weiterlesen

Kolumne

«Ich bin dabei!»

Von DAVID FALLOWS

Auf weit über hundert Holzblasinstrumenten des 16. Jahrhunderts findet sich ein Herstellerzeichen, das allgemein als «Hasenfuss» umschrieben wird, mir aber eher wie zwei leicht nach innen geneigte Ausrufezeichen vorkommt. Jahrelang war niemand in der Lage zu erraten, um wen es sich dabei handelte, aber jetzt scheint sich die Forschung einig zu sein, dass das Zeichen zur Familie Bassano gehört, die vor allem in England tätig war. Ihr eigentlicher Name war Piva (was für mich eine Tanzgattung ist), aber als sie nach England kamen, scheinen sie den Namen ihrer Heimatstadt in Venetien, Bassano del Grappa, angenommen zu haben (allerdings ohne den «Grappa»-Teil). Seit der Zeit Heinrichs VIII. und bis zum Ende des Jahrhunderts dominierten sie die Musik auf allen Arten von Blasinstrumenten in England.

Obwohl Bassanos unter den englischen Musikern zahlreich vertreten waren, haben sie nur sehr wenige Kompositionen hinterlassen. Dieses Konzert feiert also Musik für Blasinstrumente im England des 16. Jahrhunderts, mit einem gewissen Schwerpunkt auf den zahlreichen Ausländern, die die Szene belebten. Einige meiner Lieblingsstücke stehen auf dem Programm – also: keinesfalls verpassen!

Übersetzung: Marc Lewon

Galerie

2024

Dezember

Nun singet und seid froh!

... zum Mitsingen
So 29.12.24 17:45 Probe 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

2025

Januar

«Was ich euch singen thu!»

Die ganze Welt im Nachrichtenlied
So 26.01.25 17:45 Intro 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

Februar

La Contenance françoise

A cappella rund um Binchois
So 23.02.25 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

März

Daheim bei Milán & Galilei

Lautenparcours II
So 30.03.25 18:15 Konzert

Haus zum Kirschgarten
Historisches Museum Basel

April

A Company of Violins

Geburt einer neuen Instrumentenfamilie
So 27.04.25 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

Mai

Lost and Found

Aus dem wiederentdeckten Egenolff-Liederbuch
So 25.05.25 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

Juni

Amor, Fortuna!

Madrigale zu Palestrinas 500. Geburtstag
So 29.06.25 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

September

Festival 2025 «ARCADIA»

Fr 26.09.25 bis So 28.09.25

Basel, Martinskirche

Oktober

Brummen und Blaßen

Douçaine, Rankett und Dulzian
So 26.10.25 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

November

Byrd and the Baron

A secret Christmas
So 30.11.25 18:15 Konzert

Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel

Dezember

ADVENTSKALENDER

Tägliche online-Überraschungen
Mo 01.12.25 bis 24.12.25