Geburt Christi, Jakob Cornelisz van Oostsanen (c1472–1533), rechter Flügel eines Retabels, Innenseite, 1511–1520 © Kunstmuseum Basel
ekannte Weihnachtslieder der deutschsprachigen Renaissance: Festlich erklingen sie mit Begleitung von Posaunen des Basler Stadtposaunenchors und von Zinken!
Auf dem Programm stehen Weihnachtslieder wie «Joseph, lieber Joseph mein», «In Dulci Jubilo» und «Es ist ein Ros‘ entsprungen» – und zwar in der Form, in der sie in der Renaissance zum ersten Mal erschienen sind, zum Beispiel in Leonhard Schröters «Newe Weihnacht Liedlein» von 1587 und in den berühmten Bearbeitungen von Michael Praetorius in seinen Musae-Sioniae-Drucken von 1605–1610.
ReRenaissance bringt den Zuhörenden die Weihnachtslieder auf unterschiedliche Weise nahe, in verspielten Arrangements im Duo bis hin zu doppelchörigen Versionen, die in Cornetti- und Posaunenchören erklingen.
Aber vor allem: Die im Programmheft abgedruckten Sätze dürfen Ad-hoc mitgesungen werden!
Theresa von Bibra – Gesang
Reiner Schneider-Waterberg – Gesang
Josué Meléndez – Zink
Benedetta Ceron – Zink
Phillip Boyle – Posaune (Siehe auch Interview unten)
Stadtposaunenchor Basel
Catherine Motuz – Posaune; Leitung
Eintritt frei – Kollekte
17:45 Mitsing-Workshop & 18:15 Konzert
Ochs und Esel, Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Cod. Guelf. 96 Weiss, fol. 122r
Pillip Boyle © Daniele Caminiti
Der aus Norwegen stammende Dirigent und Posaunist Phillip Boyle antwortet auf Fragen von Dr. Thomas Christ. Phillip Boyle leitet verschiedene Ensembles und Chöre in der Schweiz und in Deutschland; insbesondere dirigiert und instruiert er seit 2022 auch den Stadtposaunenchor Basel.
Thomas Christ: Wie kommt man von der Königlichen Garde Norwegens, also von der Militärmusik der norwegischen Armee, zur klassischen Posaune? Oder wie findet man den Weg von Stavanger nach Basel an die Schola Cantorum?
Philip Boyle: Ein junger klassischer Posaunist war ich schon, bevor ich meinem Militärdienst in der Kgl. Garde absolviert habe. Ich hatte damals schon einen Studienplatz an der Universität in Stavanger bekommen, und hatte durch Gerüchte gehört, dass man dann automatisch vom obligatorischen Militärdienst befreit wird; ein offizielles Gesuch auf Verschiebung des Studienbeginns musste ich trotzdem stellen. Als dann das Gesuch doch genehmigt wurde, habe ich ein spannendes und lehrreiches Jahr in der Kgl. Garde als Posaunist erlebt, bevor ich mein Bachelorstudium in Stavanger begann.
Als Gardist und Posaunist trat ich am Basel Tattoo 2010 auf. Damals hatte ich keine Ahnung von der Bedeutung der Stadt für Alte Musik, aber als ich mich als Student in Stavanger für Barockposaune interessierte und ein Austauschjahr im Ausland erwog, kam Basel wieder auf in einem Gespräch mit der Barockgeigerin Sirkka-Liisa K. Pilch, die dort Gastprofessorin war, «and the rest is history».
TC: Du arbeitest mit historischen und modernen Instrumenten, vielleicht kannst du den Leser:innen kurz erklären, worin die wesentlichen Unterschiede liegen und warum allenfalls für Stücke aus der Frühen Musik historische Posaunen vorzuziehen sind.
PB: Die Posaune hat sich im Vergleich zu vielen anderen Instrumenten wenig verändert seit ihren Anfängen im 15. Jahrhundert. Die wesentlichen physikalischen Unterschiede sind die Grösse des Schallstücks und die Durchmesser der Rohre. Das Mundstück spielt auch eine grosse Rolle für den weichen und flexiblen Klang. Deswegen passen die Renaissanceposaunen auch perfekt zusammen mit menschlichen Stimmen und wurden viel in der Kirche gebraucht, wo sie die Chöre unterstützten.
Ich würde die Instrumentenwahl für Alte Musik je nach Epoche, Ort und Funktion treffen; weil wir versuchen, uns dem Klang anzunähern, den sie damals hatten, und auch weil man dann oft entdeckt, dass die Musik mit dem Instrument einfach mehr Sinn macht! Die Renaissanceposaune ist auch von der Spielweise her schön flexibel. Ich kann damit mehr wie eine Stimme spielen und das ist für uns immer das Ziel. Aber natürlich reicht es nicht, nur das richtige Instrument zu haben. Es kommt viel mehr dazu, wie die Beherrschung des Stils, Verständnis des Textes und ein Sinn für die Komponist:innen dieser Zeit.
TC: Mit deinem eigenen Ensemble «Silva Norvegica» pflegst du Frühe Musik auch im skandinavischen Raum. Kannst du uns etwas über die Musikszene im hohen Norden erzählen? Bist du dort ein «Ambassador of Early Music»?
PB: «Ambassador» würde ich nicht sagen. Zumindest nicht mehr als wir, meine Kolleg:innen und ich, sowieso durch unsere Arbeit und Leidenschaft überall, wo wir hingehen, quasi kleine Alte Musik–Botschafter sind.
Ich bin aber jedes Mal froh, wenn ich im Norden spielen darf. Ich durfte schon einen Alte-Musik-Workshop für die Posaunenstudierenden an meiner alten Universität in Stavenger geben und spielte letztes Jahr eine Orfeo-Produktion mit Concerto Copenhagen. Sonst muss ich es meistens selbst organisieren, wenn ich im Norden spielen möchte, wie ich es auch mit meinen Ensembles Silva Norvegica und Viatoribus getan habe.
TC: Seit einigen Jahren leitest du nicht nur den Posaunenchor Basel, sondern bist auch Dirigent der Stadtmusik Lörrach. Dies spricht einerseits für deine Vielseitigkeit, aber stellt dich sicherlich in Sachen Repertoire und Ansprüche an die Musiker vor ganz andere Herausforderungen – findet hier zwischen Alter und Gegenwarts-Musik eine inspirierende Befruchtung statt?
PB: Das finde ich eine spannende Frage! Es stimmt; ich habe ganz andere Herausforderungen, wenn ich die Stadtmusik Lörrach dirigiere: mein Hintergrund und meine Ausbildung in der Alten Musik sind dort nicht immer relevant. Zum Glück habe ich dafür einen Master in Blasorchesterdirektion, aber ich bin auch fest davon überzeugt, dass ein vielfältiger Hintergrund mich in allen Bereichen stärker macht, und ich liebe es eigentlich auch, einen Fuss in verschiedenen Bereichen zu haben. Die Musik, die wir in Lörrach spielen, steht meistens in grossem Kontrast zu der Musik, die ich als historischer Posaunist meistens spiele, aber ich finde diese Abwechslung gut.
Ich kann aber auch einige Brücken schlagen; zum Beispiel hatten wir zum William Byrd-Jubiläum 2022 ein Konzert mit der Stadtmusik Lörrach zusammen mit der Cembalistin Weronika Paine. Bei der Repertoiresuche musst ich dann feststellen, dass das, was in der Blasorchesterwelt als Renaissance-Musik gilt, meist nur einen sehr kleinen Teil dessen ausmacht, was meine Kolleg:innen und ich – und natürlich die Besuchenden der ReRenaissance-Konzerte – unter Renaissance-Musik verstehen.
TC: Vielleicht zum Schluss noch eine Frage zur Herkunft der Posaune: Kommt sie eher aus der höfischen Kultur, als Jagd- und Armeeinstrument oder hat sie auch Ursprünge in der frühen Volksmusik?
PB: Hier kann ich nicht garantieren, dass ich auf dem letzten Stand der Wissenschaft bin, aber ziemlich klar ist, dass die Posaune sich von der Trompete her entwickelte, deren Hintergrund eher in militärischen oder höfischen Rollen zu finden ist. Die Posaune hat sich dann schnell von der Trompete abgesetzt und wurde bald auch in anderen Zusammenhängen benutzt, so wie bei den Stadtpfeifern, der Alta Capella und – wie gesagt – auch in der Kirche gemeinsam mit Sänger:innen.
Die Frage zur Volksmusik ist noch schwieriger zu beantworten, da die Volksmusik ja mündlich überliefert wird. Die würde ich eher der Ethnomusikologie überlassen.
«Ich bin dabei!»
von DAVID FALLOWS
Weihnachtsmusik in England ist heutzutage meist grauenhafter viktorianischer Kitsch (O little town of Bethlehem; As shepherds watched their flock by night; Away in a manger; Good king Wenceslas), während wir unsere geschmackvollen Weihnachtslieder aus dem 15. Jahrhunderts links liegenlassen. Aber sie ist längst nicht halb so grausig wie der amerikanische Kitsch des 20. Jahrhunderts (Jingle bells; I’m dreaming (!) of a white Christmas; Rudolf the red-nosed reindeer had a very shiny nose).
So ist es Balsam für die Seele, sich daran zu erinnern, dass es in den deutschsprachigen Ländern heute noch eine grosse Anzahl von Weihnachtsliedern gibt, die ins 16. Jahrhundert und früher zurückdatieren. Es sieht so aus, als plane Catherine Motuz ein wahrhaft inspirierendes Hörerlebnis mit dieser Musik in Versionen aus dem 16. und frühen 17. Jahrhundert. Sie hat sogar Musik eines meiner Lieblingskomponisten im Programm (und dieser Name mag bei meinen Vorlieben überraschen): Michael Praetorius. Das sollte man auf keinen Fall verpassen!
Übersetzung: Marc Lewon
Haus zum Kirschgarten
HMB
Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel
Barfüsserkirche
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Barfüsserkirche
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Basel, Martinskirche
Barfüsserkirche
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