m späten 16. Jahrhundert erlebten die Doppelrohrblattinstrumente eine kaum vorstellbare Blütezeit, die Michael Praetorius in seinem berühmten Theatrum Instrumentorum für die Nachwelt festhielt.
Über viele Jahrhunderte hinweg dominierten Schalmei und Pommer, während ihre leisere «Schwester», die Douçaine, eher im Verborgenen blieb. Doch zu Beginn des 16. Jahrhunderts setzte eine Welle von Kreativität und Experimentierfreude bei den Instrumentenbauern ein: Sie schufen nicht nur grössere Varianten der bekannten Instrumente, sondern wagten sich auch an kühne Neuerfindungen, die sie jeweils in «Familien» von Instrumenten verschiedener Längen bauten, um mehrstimmige Musik darauf spielbar zu machen. So entstanden Dulzian, Rankett und Krummhorn – um nur einige zu nennen.
All diese faszinierenden Klänge erwarten Sie – ein lebendiges Eintauchen in die farbenreiche Welt der Renaissance.
Musiker:innen
Ann Allen
Sopran-Pommer, Sopran- & Alt-Dulzian, Tenor-Dolzaina, Alt-Bassanello, Tenor-Sordun, Bass-Krumhorn, Schalmei; Leitung
Adrien Reboisson
Alt-Pommer, Alt-Dulzian, Tenor-Dolzaina, Tenor-Bassanello, Alt-Rankett, Alt-Krummhorn
Silke Gwendolyn Schulze
Tenor-Pommer, Tenor-Dulzian, Alt-Dolzaina, Grossbass-Bassanello, Bass-Rankett, Tenor-Krummhorn, Alt-Pommer
Maruša Brezavšček
Bass-Pommer, Bass-Dulzian, Tenor-Dolzaina, Bass-Bassanello, Tenor-Rankett, Tenor-Krummhorn
Melissa Sandel
Bass-Pommer, Bass- & Tenor-Dulzian, Tenor-Dolzaina, Tenor-Rankett, Tenor-Krummhorn
Eintritt frei – Kollekte
Ich bin dabei! – David Fallows
Übersetzung: Marc Lewon
Als ich damals, 1969, für Thomas Binkley in München arbeitete, bat er mich, alles über die von Machaut erwähnte «Douçaine» zusammenzusuchen, was ich finden konnte. Mit meinem Dossier im Gepäck fuhr er dann übers Wochenende zum Instrumentenbauer Günther Körber nach Berlin und kam mit vier Instrumenten zurück, die (ungefähr) den Beschreibungen entsprachen, die ich zusammengetragen hatte. Sie funktionierten im Prinzip wie Krummhörner, waren aber gerade und am Ende geschlossen, und obendrein – wie durch Zauberhand – hatten sie nichts von der Instabilität, für die Krummhörner so berüchtigt sind. Also haben wir sie umgehend für eine Platteneinspielung (Musica iberica II) eingesetzt. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten (und ich verliess München damals, um in Kalifornien zu studieren, so dass ich die Geschichte nur aus zweiter Hand kenne), war, dass Körber einen zweiten Satz gebaut hatte, den sein Assistent zu einem Kurs für alte Instrumente in Celle mitnahm, der von der Firma Moeck veranstaltet wurde. Die Instrumente kamen dort so gut an, dass Moeck fast sofort eine eigene Reihe produzierte, die sie «Cornamuse» nannten. So werden Instrumente «neu erfunden»: Wenn sie sich als funktional herausstellen, werden sie übernommen …
Die Gruppe um Ann Allen hat nun vor, die gefürchteten Krummhörner zu spielen: Es muss fünfzig Jahre her sein, dass ich eines zuletzt in einem Konzert gehört habe (wahrscheinlich habe ich dabei sogar selbst mitgespielt). Aber ich erinnere mich noch allzu gut daran, wie mühsam es war, sie so einzurichten, dass sie tatsächlich funktionierten und einigermassen stimmten. Praetorius hat in seinem Syntagma Musicum von 1619 auf jeden Fall so viele verschiedene Rohrblattinstrumente aufgeführt und abgebildet, dass wir ein äusserst abwechslungsreiches und lebhaftes Konzert erwarten können.
1 Pavane de Spaigne – Pierre-Francisque Caroubel (1556–1611) / Michael Praetorius (1571–1621)
Terpsichore, musarum aoniarum quinta. Darinnen allerley französische Däntze und Lieder […] mit 4. 5. und 6. Stimmen. Wie selbige von den französischen Dantzmeistern in Franckreich gespielet und vor fürstlichen Taffeln auch sonsten in Convivüs zur recreation und Ergötzung gantz wol gebraucht werden können […], Wolfenbüttel: Michael Praetorius, 1612, Nr. 29 & 30
2 Spagnoletta – Michael Praetorius
Terpsichore, Nr. 27 & 28
3 Passameze & Gaillarde – Pierre-Francisque Caroubel
Terpsichore, Nr. 283 & 284
4 Bransle de la Torche – Michael Praetorius
Terpsichore, Nr. 15
5 Fantasie – Giovanni Bassano (1561–1617)
Fantasie a tre voci, per cantar et sonar con ogni sorte d’istrumenti, Venedig: Giacomo Vincenzi & Ricciardo Amadino, 1585, Nr. 8 & 9
6 Io canterei d’amor – Cipriano de Rore (1515–1565), Diminutionen: Giovanni Bassano
Il primo libro de madrigali a quattro voci, Venedig: Antonio Gardano, 1569, Nr. 7 / Motetti, madrigali, et canzoni francese diminuiti, Venedig: Giacomo Vincenti, 1591
Kopie von Friedrich Chrysander: Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky, Musiksammlung, M B/2488, Nr. 5
7 Volte & Courante – Michael Praetorius
Terpsichore, Nr. 210, 190 & 192
8 Padouana – Johann Hermann Schein (1586–1630)
Banchetto Musicale, Leipzig: Abraham Lamberg und Caspar Kloseman, 1617, Nr. 22
9 Gilotte – Pierre-Francisque Caroubel
Terpsichore, Nr. 1
10 Gavotte 2-6 – Pierre-Francisque Caroubel
Terpsichore, Nr. 1
11 La Rosette – anonym
Terpsichore, Nr. 109
12 La Canarie – Michael Praetorius
Terpsichore, Nr. 31
Syntagma Musicum, Band II (Theatrum Instrumentorum), Wolfenbüttel: Michael Praetorius, 1620, Titelblatt / Digitalisat: SLUB Dresden
Krummhornen, aus: Syntagma Musicum, Band II (Theatrum Instrumentorum), Wolfenbüttel: Michael Praetorius, 1620, Tafel 13 / Digitalisat: SLUB Dresden
Bassanelli und Sordunen, aus: Syntagma Musicum, Band II (Theatrum Instrumentorum), Wolfenbüttel: Michael Praetorius, 1620, Tafel 12 / Digitalisat: SLUB Dresden
Barfüsserkirche
Historisches Museum Basel
Goldbedrucktes Papier